Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
die Spannung, die in der Luft lag, mit einem Mal spürbar. Das Blut geriet in Wallung, die Nervenenden lagen bloß, und die Atmosphäre wurde immer gereizter!
Flieger mit fluchenden Reitern schwankten hin und her, brüllende Vampire zerrten an den Zügeln, alle verzweifelt auf der Suche nach einem Flecken Staub, auf den sie sich herabplumpsen lassen konnten. Krieger stießen beim Landeanflug zusammen, zufällig erst, dann absichtlich, als Mensch und Bestie schließlich gleichermaßen die Beherrschung verloren. Wamphyri!
Inmitten des ganzen Aufruhrs kam es zum ersten blutigen Handgemenge, dann zu einem weiteren, zu einem dritten ... und schließlich war der Tumult komplett! In dessen Verlauf wurden, als das Tauziehen um den Proviant richtig losging und hin und her wogte, viele der Knechte, Leutnante, Flieger und Krieger, die bereits gelandet waren, über den Rand des Felsens ins Leere gestoßen. Das Plateau war recht hoch, sodass einige, die über den Rand geschubst wurden (diejenigen, die in der Kunst der Verwandlung geübt waren), genügend Zeit hatten, Gleitschwingen auszubilden und sich zu retten. Die meisten Flieger blieben selbstverständlich am Leben und eine ganze Anzahl der Krieger; andere wiederum, die in dem Gemenge Verletzungen davongetragen hatten, stürzten einfach in die Tiefe und landeten auf dem Geröll und dem felsübersäten Untergrund, wo der Kreuzzug für sie ein abruptes Ende nahm ...
Endlich glätteten sich die Wogen, und Vormulac stapfte, laut brüllend und Hiebe austeilend, umher, zwang den Rest wieder zum Gehorsam und verlangte den Schwachkopf zu sehen, der bei der Planung auf die Idee gekommen war, ausgerechnet hier einen Halt einzulegen. Diese Aufgabe war Zestos Kalkas zugefallen, einem Lord niederen Ranges, der nun allem Anschein nach abwesend war. Allerdings gelang es, einen seiner Gefolgsleute aufzutreiben, Gaul Kalksknecht, einen untergeordneten Leutnant, der sein Äußerstes gab, um grimmig auszusehen, als er auf Vormulacs Geheiß hin vortrat. Nun stellte sich heraus, dass Zestos und seine dienstältesten Leutnante in den Abgrund gefegt worden waren. Gaul hatte es mit eigenen Augen gesehen, die mit einem Mal ängstlich, argwöhnisch blickten.
» Ha! Dann sieht es so aus, als seist du aufgestiegen«, teilte Lord Vormulac ihm ohne weitere Umschweife mit.
»Aber ... vielleicht ist mein Gebieter, Lord Kalkas, dort unten noch am Leben!«
» Möglicherweise wäre er hier oben noch am Leben«, knurrte Vormulac. »Allerdings nicht sehr lange! Denn wenn er noch lebte, würde ich ihn eigenhändig in Ketten legen und in den Abgrund stoßen! Dieser Narr!« Er überlegte einen Augenblick. Dann sagte er: »Ich mache dir einen Vorschlag ...«
»Ja, mein Lord?«
»Nimm dir einen Flieger, flieg hinab und finde Zestos. Schneide ihm seinen Egel aus dem Leib und empfange dessen Ei.«
Darauf schienen Gauls Augen in einem inneren Feuer rot zu erglühen, als sei er in der Tat bereits aufgestiegen. »Ja, mein Lord. Das werde ich tun!«
»Und hör zu«, fuhr Vormulac fort. »Du hast Glück. Du zählst zu den seinen, und eigentlich sollte ich auch dich töten. Aber ich brauche einen Mann, der seine Abteilung führt – oder was davon übrig ist!«
»Ja, mein Lord!« Damit huschte Gaul Kalksknecht – nun Kalksohn – los, um sich einen Flieger zu suchen ...
Aber ganz so schlecht war es nun auch wieder nicht gelaufen. Drei Flugrochen und sechs Krieger hatten sie beim Sturz über die Klippe verloren, je vier weitere waren bei der Landung verletzt worden, drei Lords, gut sieben Leutnante und etwa fünfzehn Knechte waren entweder abgestürzt oder im Kampf erschlagen worden. Die Verwundeten wurden getötet und dem Proviant zugeteilt, um den sie so erbittert gestritten hatten. Dies schien nur recht und billig.
Mittlerweile stand die Sonne bereits sehr tief, der Mond jagte über den Himmel, und alle waren mit Nahrung versorgt. Nun durften sie keine Zeit mehr verlieren, denn niemand wusste, wie weit sich die Große Rote Wüste vor ihnen erstreckte, ob hundert, tausend oder gar fünftausend Meilen. Dafür war jedem bekannt, wie lange ein Sonnunter dauerte. Wenn der Morgen anbrach, mussten sie den Flug beendet, das Ödland hinter sich gebracht haben und im Westen gelandet sein.
»Wir starten in Reih und Glied! « Vormulac hatte seine Stimme erhoben, damit jeder ihn hören konnte. »Wenn ihr in der Luft seid, verteilt euch und macht Platz für die anderen. Der Himmel ist weit genug. Aber bleibt alle auf
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