Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
Nachhut, die sie zum Schutz ihrer Stätten zurückgelassen hatten, bereits dabei, die ersten Befehle auszuführen.
Gasdüsen wurden zugedreht, offene Kamine abgedeckt und das Feuer gelöscht. In Gorvisumpf, der Wrathspitze, der Irren- und der Räudenstatt – vor allem aber in der Saugspitze, deren Gebieter, der Nekromant Lord Nestor Leichenscheu, im Augenblick abwesend war und dies wohl auch noch einige Zeit bleiben würde, was hieß, dass seine Knechte und Leutnants ganz besonders auf ihre Sicherheit und natürlich auch die der Stätte bedacht waren – verloschen die Lichter allmählich. Aus den Schornsteinen quoll kein Rauch mehr in den Himmel. Essensdünste, die aus den Küchen ins Freie drangen, wurden schleunigst auseinandergewedelt und von heftig schlagenden Fledermausschwingen aufgelöst. Von einem Augenblick auf den anderen wurde die Zubereitung aller Speisen eingestellt.
Alle Wappenschilde und Wimpel, jeder heraldische Hinweis wurde abgenommen und stattdessen eine Handvoll modriger Fetzen einer längst vergangenen Ära aufgehängt, deren Zeichen und Inschriften mit der Zeit unlesbar geworden waren. Die Häute zum Auffangen des Regenwassers wurden entfernt und gleichfalls durch zerrissene, verfaulende Lederstücke ersetzt. Alles, was irgendwie darauf hinwies, dass hier in letzter Zeit jemand gewohnt hatte – alle Außentreppen und Brücken, Plattformen, Ecktürmchen und so weiter und, nachdem alle Trupps in ihren Stätten gelandet waren, auch die Landebuchten –, wurde abgedeckt oder getarnt. Selbst Träger und Stützen aus Eisenholz wurden entfernt und in den Buchten, die vom ständigen Entlanggleiten der Flugbestien nur so glänzten, wahllos Staub und Unrat verteilt, so dass der gesamte Felsenturm nach weniger als einer Stunde verlassen, wenn nicht verfallen wirkte ... genau wie Wratha es wünschte.
Aber nicht nur Licht und Feuer wurden gelöscht, Rauch und Gerüche vertrieben, sogar die Gedanken der Bewohner der Feste – seien sie nun Lord oder Leutnant, Knecht oder Bestie – kamen zum Erliegen. Von den tiefsten Gewölben von Gorvisumpf über die ausgedehnte Irrenstatt der Gebrüder Todesblick, von Canker Canisohns Räudenstatt über die Saugspitze bis zum höchsten Turm der Wrathspitze herrschte eine noch nie da gewesene, absolute telepathische Stille. Die Wrathhöhe war ... tot! Zumindest erweckte sie diesen Anschein.
Vielleicht hätten es Lord Ohneschlafs Vertraute, die gewaltigen Fledermäuse, die ihm als Späher dienten, besser wissen müssen, vielleicht aber auch nicht. Immerhin steckte in jedem Wamphyri auch etwas von einer Fledermaus, ganz zu schweigen von einem Wolf und, im Falle Canker Canisohns, auch von einem Fuchs. Doch weitaus heimtückischer machte sie ihr menschliches Erbe. Einst waren sie Menschen gewesen und verfügten noch immer über den Geist von Menschen, deren Intelligenz, Durchtriebenheit und Zähigkeit, um ein Vielfaches verstärkt allerdings von dem Egel, den sie in sich trugen. Und was Raffinesse und Beharrlichkeit betraf ... nun, Wratha war eine Frau!
Folglich wirkte die Wrathhöhe auf Vormulacs Vorhut, seine Fledermäuse, die, der Hauptstreitmacht etwa neunzig Minuten voraus, den Weg auskundschafteten, genau so, wie Wratha es beabsichtigte: leer und verlassen. Selbst die Fledermäuse der Wrathhöhe, die ziellos die Türme und Türmchen der Wrathspitze umschwirrten und in ihrem Hochzeitstanz gewagte Ausweichmanöver vollführten, sich absacken ließen und plötzlich wieder fingen, erweckten den Eindruck, sie seien wild und ungezähmt. Doch als sie das Nahen der Fremdlinge spürten, verwandelte sich die Neugier, die sie anfänglich an den Tag legten, rasch in Sorge um ihre Kolonie und ihr Territorium (zumindest hatte es diesen Anschein). Und als gleich drei von Vormulacs Kreaturen die Wälle umkreisten, verschwanden Wrathas Fledermäuse auf einmal in den ihnen vertrauten Winkeln und Nischen.
Offensichtlich hielten diese Feiglinge nicht allzu viel davon, ihr Revier zu verteidigen! Mit einem höhnischen Zwitschern machten sich die Eindringlinge daran, ihnen ins Innere der Wrathhöhe zu folgen, wo sie in Zukunft das Zepter über die gesamte Kolonie zu schwingen gedachten. Doch kaum befanden sich die Geschöpfe des Lords Ohneschlaf in der Feste ...
... dämpften die gewaltigen Mauern ihre angsterfüllten Entsetzens- und Todesschreie zu einem kaum verständlichen Quieken, und von dem aufgeregten Schlagen der Hautschwingen wurde nicht mehr als ein leiser, verhallender
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