Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
Ausschachtungen, Raum für den gesamten Stamm der Lidescis geschaffen. Doch nur eine Handvoll Auserwählter, die Glück hatten und deren »Gemächer« sich weit am Rand, dicht an der Außenwand beziehungsweise Fassade des Felsens befanden, verfügte über Tageslicht oder die Möglichkeit, nach draußen zu blicken. Dies war überall dort der Fall, wo die Furchen im Fels bis zu den Höhlen und Grotten hin reichten und derart Fenster und Luftschächte zur Außenwelt bildeten. Von den höher gelegenen Höhlen aus hatte man einen ausgezeichneten Überblick und konnte die ganze Umgebung im Auge behalten. Als Anführer hätte Lardis durchaus auch einen Raum mit einer besseren Luftzufuhr für sich beanspruchen können; dies jedoch hatte er sich versagt und die außen gelegenen Räumlichkeiten stattdessen den Alten und Familien mit Kindern zugewiesen – was ihm wieder einmal ähnlich sah. Aber wenigstens verfügte er über genügend Platz und konnte all seine Berater unterbringen, wann immer er eine Zusammenkunft einberief.
Wären in Nischen an den Wänden nicht Kerzen angebracht gewesen, hätte hier vollkommene Finsternis geherrscht, pechschwarze Nacht. Eine der Kerzen brannte, allerdings flackerte sie bereits und stand kurz vor dem Verlöschen. Lardis ging mit einer brennenden Fackel voran, ermahnte seine Begleiter, den Kopf einzuziehen, und entzündete die übrigen Kerzen, die den Raum in ihren warmen Glanz hüllten. Nun konnten sie reden, und man konnte sich einander vorstellen, wie es sich gehörte.
Nathan fühlte sich reichlich eingeengt und bekam beinahe Platzangst, als er Lardis an einem riesigen, allerdings nicht sehr hohen ovalen Tisch gegenübersaß. Alles war hier niedrig. Von der Decke, einer unregelmäßigen, fleckigen Fläche nur wenige Zentimeter über seinem Kopf hingen wie Stalaktiten steinerne Auswüchse herab, an denen man sich hässliche Beulen holen konnte, wenn man nicht aufpasste und sich daran stieß. Ben Trask saß zu Nathans linker Seite, David Chung zu seiner rechten, neben Chung die drei Höhlentaucher und ihnen gegenüber vier von Lardis’ Männern.
Einige der Gesichter kannte Nathan von früher, andere hatte er nur selten oder noch nie gesehen. Es freute ihn jedoch, dass Andrei Romani darunter war und auch der drahtige Jäger Kirk Lisescu, der von einem Ohr bis zum anderen grinste und darauf brannte, mit seinem jungen Freund zu sprechen, sobald sich endlich eine Gelegenheit dazu ergab.
Immerhin war Nathan für diejenigen, die er kannte, ein anderer geworden! Erst war er drei Jahre lang weg gewesen, die er in der Wüste bei den Thyre und in Turgosheim in der Runenstatt des Seher-Lords Maglore verbracht hatte. Anschließend war er, nachdem ihn ein Flugrochen der Wamphyri entführt hatte, schon wieder einige Monate verschollen gewesen und niemand hatte gewusst, ob er tot war oder am Leben – oder irgendetwas dazwischen. Und beide Male war er verändert zurückgekehrt. Manche der Veränderungen waren ziemlich einschneidend, andere nicht ganz so dramatisch, aber dennoch überraschend für die wenigen, die ihm einst nahe gestanden hatten.
Zunächst einmal war er kein schüchterner, stotternder Jüngling mehr, sondern ein Mann, zudem noch einer, den man ebenso suchen musste wie Silber, Spiegel oder Kneblasch in einem Horst der Wamphyri! Dann war er auch nicht mehr strohblond, sondern graue Strähnen durchzogen seine Schläfen, die ihn wesentlich älter erscheinen ließen, als er eigentlich war, und ihn mit einem Hauch von Weisheit umgaben, der noch merkwürdiger schien als der Zuwachs an Jahren, die er noch gar nicht gelebt hatte. Zudem war er nun nicht mehr bleich, sondern braun gebrannt, ohne allerdings so wettergegerbt auszusehen wie die Szgany. Das rührte daher, dass er auf der Erde, insbesondere auf den griechischen Inseln, häufiger dem Tageslicht ausgesetzt gewesen war als hier. Darüber hinaus war er ein ...
»Necroscope!«, erklärte Lardis Lidesci entschieden.
Augenzwinkernd fügte Kirk Lisescu mit einer Kopfbewegung in Nathans Richtung hinzu: »Aye, und du bist ganz deines Vaters Sohn, bis hin zu dem entrückten Ausdruck in deinen Augen!«
Kirk saß zur Linken von Lardis und bekam einen Ellenbogen in die Rippen. »Das bleibt unter uns!«, wies Lardis ihn streng zurecht. »Es reicht, wenn wir es wissen – sonst geht es niemanden etwas an!« Mit einem wütenden Funkeln ließ er den Blick den Tisch entlang schweifen. »Nana Kiklu lebt bei uns; sie ist eine gute Frau, die ich mit
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