Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
zum Guten einsetzen, gewiss! Siehst du denn nicht, welch wunderbare Ironie darin liegt? Ist es denn nicht genau das, was du immer wolltest, nämlich die Wamphyri vernichten?
»Natürlich! Aber nicht um den Preis, dass ich dabei selbst zum Ungeheuer werde! Sieh dir doch an, was dein so genanntes Talent aus dir gemacht hat! Was ist denn aus deinen Augen geworden?«
Widerwillig ließ Nathan Eygors Bild noch einmal vor seinem geistigen Auge erstehen und musterte ihn von oben bis unten, die ganze beinahe sechs Meter hohe, monströse, mumifizierte Gestalt, diese Abnormität aus miteinander verschmolzenen Knochen, schwarzem, vertrocknetem Fleisch, knorpeligen Knoten und massiven Panzerplatten aus blau schimmerndem Chitin, die an die Panzerung von Insekten erinnerten, Insekten allerdings, die in der Welt jenseits des Sternseitentores einem Schützenpanzer alle Ehre gemacht hätten. Von Weitem wirkte Eygor zwar wie ein Mensch, doch damit war auch schon jede Ähnlichkeit erschöpft. Denn welcher Mensch verfügte schon über zusätzliche Münder an den ... unterschiedlichsten Stellen?
Das Schlimmste daran war jedoch nicht einmal das grauenhafte Aussehen, sondern die Tatsache, dass Eygor seinen Körper selbst so geformt hatte! Genau so und nicht anders hatte das abscheuliche Ding in der Grube sein wollen, bevor es mit ihm zu Ende ging! All dies war Absicht: die verhornten, eingeschrumpften Füße und die runzligen, ledrigen Schenkel, die verdorrten, in Klauen endenden Arme, der gekrümmte Rücken, die knochigen Schultern und der missgestaltete, durch den Salpeterfluss an der Wand klebende Schädel, dessen klaffendes Maul auf ewig zu einem stummen Schrei erstarrt war. Oh, diesen langsamen Zerfall hatte Eygor sich nicht gewünscht, nicht das allmähliche Austrocknen, nicht diesen Tod, wohl aber den Rest. All dies entsprach seinem Wesen!
Und dann diese Augen, die nun ganz geöffnet waren, genau wie der Necroscope es aus einem früheren Traum in Erinnerung hatte. Und abermals vernahm er, so wie damals, Eygors Worte: Sieh nur, wie ich weine, Nathan, weil meine Söhne mich geblendet haben. Meine Augäpfel sind weiß und blind. Einst jedoch war das rechte Auge gefüllt mit Blut! Sieh her! Prompt troff aus dem rechten Auge der Schreckgestalt eine scharlachrote Flüssigkeit. Das linke hingegen war voller Eiter! Eygors linkes Auge schwoll an und wurde ganz gelb, wie ein Furunkel kurz vor dem Platzen. Und Nathan war klar, dass er, sollte es tatsächlich platzen und ihn mit Eiter bespritzen, infiziert wäre und die Kräfte dieses Ungeheuers damit auf ihn übergehen würden!
Du brauchst nichts weiter tun, als mich heraufzubeschwören, bat Eygor, damit ich mich an meinen Blutsöhnen, diesen Bastarden, rächen kann, und meine Macht wird dir gehören! Tu es, Nathan! Jetzt!
Eygor befand sich in Nathans Kopf und suchte verzweifelt nach dem übersinnlichen Mechanismus, der die Kunst des Necroscopen ausmachte, seine Macht, dem Tod ein Schnippchen zu schlagen – mit deren Hilfe er ihm den Untod zurückgeben konnte.
BESCHWÖRE ... MICH ... HERAUF!
Nathan konnte es, er hatte die Fähigkeit dazu. Er vermochte die Toten – selbst dieses Ungeheuer – aus ihren Gräbern auferstehen zu lassen. Und zum allerersten Mal war ihm auch bewusst, dass er es vermochte! Er hatte es bereits zweimal getan, allerdings ohne sich über seine Fähigkeiten im Klaren zu sein. Vielleicht waren sie bei diesen beiden Gelegenheiten auch von selbst gekommen, aus Liebe zu ihm. Eygor jedoch liebte nichts und niemanden, darum musste er ihn heraufbeschwören.
Er ... musste ... ihn ... heraufbeschwören!
Die geballte Kraft von Eygors Mentalismus ... diese furchtbaren Augen ... von denen eine geradezu hypnotische Macht ausging ...
Nathan warf sich im Schlaf hin und her, sein Inneres stand in Flammen, in den tiefsten Tiefen seiner Seele brodelte eine unvorstellbare Finsternis.
Doch mit einem Mal strich wie ein kühler Hauch ein eindringlicher Gedanke durch sein brennendes Bewusstsein: Neiiin!!! Nein, Nathan, tu’s nicht!
Der üble Gestank des Wesens aus der Abfallgrube wurde weggeweht. Zugleich erwachte Nathan aus seiner Erstarrung und vertrieb Eygor aus seinem Geist.
Nein, erscholl der Gedanke noch einmal, nun, wo die Gefahr vorüber war, jedoch eher ein Seufzer der Erleichterung, während die wütenden Proteste des Ungeheuers in der Ferne erst in Beschimpfungen übergingen und dann zu einem Schluchzen wurden, das in einem lang gezogenen Zischen verklang.
Eygor war
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