Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
ereilt der Tod jeden von uns, nehme ich an. Selbst ein Mann wie ich muss mit der Zeit zu Stein erstarren, und irgendwann weicht auch der Untod dem wahren Tod. Allerdings ist der Tod – wie wir beide, du und ich, wohl wissen – nicht immer das Ende. Zumindest muss er es nicht unbedingt sein, nicht wahr, Nathan? Und wenn es ein Unrecht zurechtzurücken gilt, was dann? So sehr unterscheiden wir uns gar nicht voneinander, mein Sohn! Du möchtest Rache üben für den Tod unzähliger Szgany, und ich nur für meinen eigenen. Du möchtest die Welt für alle Zeit von den Wamphyri befreien (nun, das will mir beinahe maßlos scheinen!), ich hingegen wünsche lediglich zwei von ihnen zu vernichten!
Du brauchst nichts weiter tun, als mich heraufzubeschwören, und ich werde dein mächtigster Verbündeter sein! Und wenn alles vorüber ist, werde ich mich wieder hinabbegeben und nichts weiter als ein Häufchen alter Knochen in einer Abfallgrube in Turgosheim sein. Bedenke doch den Vorteil, den es dir bringen würde, wenn du ihnen überlegen entgegentrittst, wie sie vor Furcht zittern würden, wenn ein einziger Blick genügte, ihnen den Garaus zu machen! Denn ich gebe dir mein Wort, Nathan: Wenn Eygor wieder auf Erden wandelt, heraufbeschworen vom Necroscopen, dann wird die Macht allein dein sein und nichts und niemand wird meinem bösen Blick widerstehen können, den ich einzig dir zur Verfügung stelle!
Vom ersten Wort an war Nathan klar gewesen, wer da zu ihm sprach. Diese grässlich gurgelnde, verlockende, einschmeichelnde, beinahe hypnotische Stimme konnte nur einem gehören.
Eygor Todesblick von den Wamphyri, einst ein Vampirlord mit unglaublichen Fähigkeiten, die er auch im Tod noch bewahrte, ließ seine Gedanken über all die Meilen, die Turgosheim entfernt lag, hinwegschweifen, um Nathan erneut seine Dienste anzubieten, so wie er es schon einmal in Maglores gewaltiger Felsenburg, der Runenstatt, getan hatte.
Da Nathan tief und fest schlief, stand sein Geist Eygors bösartiger Präsenz und dessen heimtückischen Einflüsterungen weit offen, auch wenn er niemals auf einen so unvorstellbaren Vorschlag eingehen würde. Heraufbeschworen von Eygors Stimme erstanden vor Nathans innerem Auge Bilder – aus einer anderen Zeit und einem anderen Traum – von jenem albtraumhaften Wesen aus seiner Grube in der Irrenstatt:
Etwas lehnte oder kauerte an einer Wand wie eine seltsame Stalagmitenformation – den Kreaturen in der Höhle des Tores von Radujevac nicht unähnlich, im Gegensatz zu diesen allerdings nicht von Tropfsteinablagerungen überzogen. Die Form war jedoch viel zu unregelmäßig und die Oberfläche dunkler als der salzhaltige, salpetergestreifte Stein. Es war ... jene monströse Chimäre, Eygor Todesblick! Als Nathan mit fieberndem Blick die schiere Größe und absonderlichen Ausmaße dieses Wesens in sich aufnahm und ihm einmal mehr der grotesk, beinahe fragend zur Seite geneigte, durch den Salpeterfluss mit der Wand verschmolzene Schädel auffiel, schlug das Ding die Augen auf! Und Nathan glaubte fürwahr, dass dieser Blick töten konnte!
Um ein Haar wäre er aufgewacht, doch die hypnotische Macht von Eygors Einflüsterungen und dessen beängstigender Mentalismus lähmten ihn, sodass er wie angewurzelt liegen blieb, gebannt an der Schwelle des Schlafes, unfähig sich zu rühren, selbst wenn es um sein Leben ginge. Beharrlich überwand das unterdrückte Gurgeln all die Meilen, die zwischen ihnen lagen, und noch einmal legte Eygor, dieses Ungeheuer, dar, was er von Nathan wollte, und schlug ihm einen Handel vor, der böse enden konnte: Ganz recht, Nathan! Mein Todesblick – er könnte dir gehören! Entsinnst du dich, wie wir darüber ... gesprochen haben, damals in Turgosheim? Ah, du glaubst, im Moment brauchst du mich nicht; aber du irrst! Bedenke doch nur: Die Macht deines Geistes, des Necroscopen, und dazu die sengende, brennende Kraft meines Blicks! Selbst einen Wamphyri bräuchtest du nur anzusehen, und er würde in Fetzen gerissen oder einfach vergehen vor der reinigenden Kraft deines Blickes!
»Reinigend?« Zu guter Letzt fand Nathan doch seine Stimme wieder, auch wenn er noch immer nicht die Willenskraft aufzubringen vermochte, den Schlaf von sich abzuschütteln. »Dein Blick und reinigend? So reinigend wie Säure vielleicht, allerdings würde ich mir dabei ebenfalls den Geist verätzen!«
Aber nicht doch, nein, nein! Nicht mein Blick – der deine! Und du könntest ihn ausschließlich zum ... nun ja,
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