Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
dachte Nestor. Warum müssen die Wamphyri nur alles verstümmeln? In dem, was ihm da durch den Kopf ging, lag nicht der geringste Humor.
Nach einer Weile bemerkte Canker ihn. Nun, mache ich Fortschritte?, wollte er wissen. Bislang hatte er düsteren Gedanken nachgehangen. Doch bei Nestors Anblick hellte seine Stimmung sich ein kleines bisschen auf.
So weit der Nekromant sich zurückerinnern konnte, war der Hunde-Lord stets sein Freund gewesen, das einzige Wesen, dem er wahrhaft vertrauen konnte. Im Grunde war Canker ihm weit eher ein Freund gewesen als er ihm. Denn für die Zukunft hatte Nestor ihm bereits die Rolle eines bloßen Leutnants zugedacht gehabt – seines Leutnants. Doch all dies war nun Vergangenheit. Eine solche Zukunft würde es nicht geben, nicht für ihn, Nestor Leichenscheu. Für ihn gab es überhaupt keine Zukunft mehr. Doch wie dem auch sein mochte, er wollte dem Hunde-Lord nicht wehtun, weder in Worten noch durch Taten.
Deine Musik ist exzellent, gab er zur Antwort. Bei einem derartigen Talent ist es kein Wunder, dass du eine Jungfrau vom Mond herabgelockt hast! Es ist nur ...
Aye?
Ich bin nicht hergekommen, um deiner Musik zu lauschen. Wenn ich das wollte, hätte ich es von einem Fenster der Saugspitze aus tun können.
Canker nickte und machte sich weiter an den Umlenkplatten zu schaffen, um seinen grässlichen Lärm zu produzieren. Ich weiß, weshalb du gekommen bist – weil du nicht hinunter nach Gorvisumpf kommen konntest. Wenn sie dich dort gesehen hätten, hätten sie nur eins und eins zusammenzählen brauchen ...
So wie du?
Gorvisumpf? Nein! Aber sonst? Es war nicht schwer. Du tust mir leid, mein Freund. Und ich habe geweint, darüber, dass wir nie mehr gemeinsam auf der Sonnseite jagen werden! Aber na ja – er zuckte die Achseln, und einen Moment lang klang seine Musik womöglich noch trüber – es neigt sich ohnehin alles dem Ende entgegen.
Oh?
Abermals nickte Canker. In meinen Träumen blicke ich in die Zukunft, Nestor, wie du wohl weißt. Und für uns ... gibt es keine Zukunft.
Für uns? Für dich und mich?
Für die Wamphyri, bellte Canker. Es ist aus und vorbei, alles.
Und wann?
Bald.
Was ist mit mir?
Nichts Genaues. Frage nicht, denn du kannst es ja doch nicht ändern. Außerdem habe ich nicht immer recht.
Mehr willst du mir nicht sagen?
Über die Zukunft? Nein! Die Musik wurde lauter, und die ganze Feste erbebte. Die Luft schien zu vibrieren. Staub rieselte von den hohen Simsen herab.
Dann erzähl mir etwas über diesen Fluch, der wie ein kaltes Feuer in mir brennt und mich verzehrt wie ein Waldbrand den Wald! Weshalb nennt man es den ›hundertjährigen Tod‹, wo es sich doch so rasch und bösartig ausbreitet?
Canker spielte weiter, aber zwischen den einzelnen Tönen hörte Nestor ihn schluchzen. Bei manchen geht es langsam, sagte der Hunde-Lord, bei anderen wiederum ... blitzschnell! Als würde es nur darauf warten, endlich ausgelöst zu werden, wie der Bolzen in einer Szgany-Armbrust. Und bei dir ist der Bolzen bereits abgeschossen!
Gibt es nichts, was ich dagegen tun kann?
Was soll ich dir raten? Endlich hörte Canker auf zu spielen. Seine großen Wolfsaugen waren feucht und rot, sein Blick wild. Um seine Lefzen lief ein merkwürdiges Zucken. Was kann ich schon sagen? Als mein Vater merkte, dass es mit ihm zu Ende ging, besorgte er es seinen Frauen noch einmal einer nach der anderen, sattelte einen Flieger und brach in Richtung Sonne auf. Ich für mein Teil werde zum Mond aufbrechen, um mit den schwächlichen Priestern dort um die Liebe der Jungfrauen zu kämpfen! Aber du, Nestor ... du bist du, und ich kann dir keinen Rat geben! Vielleicht kommst du in dem Blutkrieg ja ohnehin um.
Doch draußen über dem luftigen Abgrund schüttelte Nestor den Kopf. Wenn ich schon sterben muss, dann auf meine Weise!
Oh?
All dies entspringt einer einzigen Handlung, einer einzigen Tat, einem Verrat.
Dieser alten Sache auf der Sonnseite?
Ebenjener!
Dein Erzfeind?
Mein Bruder, aye. Er kommt und geht nach Belieben. Er war sogar ... hier!
Was? Canker trat an den Rand der Bucht und lehnte sich hinaus.
In der Irrenstatt, sagte Nestor. Die Gasbestien und Methankammern. Das war er.
Und in Gorvisumpf? Der Hunde-Lord hatte die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass dies Nestors Werk gewesen sein könnte. Doch wenn der Nekromant sagte, dass dem nicht so war, dann stimmte das auch.
Natürlich war er auch in Gorvisumpf! Ich brannte die Aussätzigenkolonie auf der Sonnseite
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