Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
seine Hand fiel auf die leere Stelle, an der Misha gelegen hatte. Obwohl er schlief, merkte er doch irgendwie, dass sie nicht da war, und fragte sich, weshalb. Sein Schlaf wurde leichter, und suchend ließ er seine Gedanken schweifen ... konnte Misha jedoch nirgends finden!
Stattdessen stieß er auf jemand anderen, der mittlerweile einiges Geschick darin entwickelt hatte, heimlich ins Bewusstsein des Necroscopen einzudringen. Nathan erkannte ihn sofort und beschwor noch im Schlaf den Zahlenwirbel herauf, um seine Gedanken hinter Gleichungen zu verbergen. Darin war Maglore ihm nicht gewachsen. In Turgosheim hatten sich seine telepathischen Fähigkeiten stets als denjenigen Maglores überlegen erwiesen. Darum trug er ja auch immer noch den goldenen Ohrring, den dieser ihm gegeben hatte. Denn für Maglore mochten gewisse Bereiche von Nathans Geist zwar verschlossen sein, umgekehrt jedoch standen für Nathan Maglores Gedanken weit offen.
Und nun blickte Nathan auf die innersten Geheimnisse des Seher-Lords und sah, dass sich die gesamte Schlucht von Turgosheim in dessen Hand befand ... abgesehen von einem kleinen Teil, einer einzigen Feste, der Irrenstatt, jenem trostlosen, düsteren, verwunschenen Mausoleum, auf dem wie auf einem ausgehöhlten Podest das turmartige Vorgebirge von Maglores Runenstatt ruhte! Des Weiteren sah er, wie gereizt der Seher-Lord war, weil es ihm nicht gelingen wollte, sich die Irrenstatt einzuverleiben und zu beziehen. Nicht dass die Irrenstatt unbewohnbar wäre – vielmehr wohnte bereits jemand darin, und zwar der untote Geist von Eygor Todesblick! Und obwohl Maglore sich selbst als »Magier« bezeichnete, vermochte er es nicht, sich in der Nähe dieses Wesens aufzuhalten, geschweige denn es zu vertreiben. Allem Anschein nach musste Eygor ein wahres Monster gewesen sein, wenn noch nicht einmal ein Wamphyri es ertragen konnte, in der Stätte, in der er einst gewohnt hatte, zu leben. Doch dies war Nathan nicht neu. Er wusste über Eygor Bescheid.
Doch nun ... womöglich spürte Maglore, dass er entdeckt worden war oder zumindest kurz davor stand. Jedenfalls zog er seine Geistessonde zurück über all die Meilen hin zum zerklüfteten Rand der Schlucht von Turgosheim ...
... und an ihre Stelle trat eine andere: diejenige des Ungeheuers höchstpersönlich!
Du bist vielleicht unfreundlich, kroch Eygors Totenstimme wie eine Schnecke in Nathans Träume. Derartige Gedanken machen dir keine Ehre, Necroscope. Nähere ich mich dir etwa verstohlen wie ein Dieb in der Nacht und schleiche mich durch die Korridore deines Bewusstseins so wie der Seher-Lord? Nein, im Gegenteil, ich komme ganz offen zu dir, höflich und ohne dir auch nur im Geringsten zu drohen. Nun, ich wäre noch nicht einmal hier ... hätte ich nicht Maglores Gedanken gespürt und wäre neugierig geworden, was er im Sinn hat. Er spioniert dir also nach, nicht wahr? Ah, und er kennt deine Kräfte, Nathan, und würde dich vernichten, wenn er nur könnte! Du solltest ihn fürchten, Necroscope, denn er ist schlau und verschlagen.
Aber bei dir gibt es nichts zu fürchten, Eygor!? Nathan unternahm gar nicht erst den Versuch, seinen Sarkasmus und seine Abscheu zu verbergen. Du bist unschuldig wie ein kleines Kind, habe ich recht?
Er spürte, wie der andere die Achseln zuckte. Das haben wir doch alles schon einmal besprochen, entgegnete Eygor verstimmt. Er tat, als habe Nathan ihn beleidigt. Nun gut, du lehnst es also ab, mit jemandem zu reden, dessen einziger Wunsch darin besteht, dir zu helfen, der dir einen Ratschlag überbringt – und eine Warnung!
Eine Warnung? Wie gewunden Eygor sich auch ausdrücken und seine Wamphyri-Wortspiele spielen mochte, so war Nathan doch auf jede Information angewiesen. Seine Gedanken waren natürlich in der Totensprache, darum bekam Eygor sie mit.
In der Tat!, pflichtete dieser ihm bei. Aber du ziehst es ja offensichtlich vor, dass ich dich in Ruhe lasse. Er gab vor, sich zurückzuziehen. Wohlan, dann werde ich mich eben ...
Warte!, hielt ihn der Necroscope auf. Allerdings möchte ich dich daran erinnern, dass du mich beim letzten Mal, als wir uns unterhielten, dazu verleiten wolltest, dich aus dem Grab heraufzubeschwören. Ein zweites Mal wird das nicht funktionieren, dessen kannst du gewiss sein!
Du Narr! Ich wäre eine unschlagbare Waffe für dich!
Ich wäre ganz sicher ein Narr, wenn ich dir glauben würde!
Genug! Ich weiß nicht, weshalb ich mir diese Mühe mache. Willst du jetzt hören, was ich dir
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