Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
zusehen, ob mir nicht etwas Neues in den Sinn kommt. Eines kann ich euch allerdings garantieren: Am Ende meiner Kräfte bin ich vorerst noch lange nicht ...«
Der Necroscope unternahm gar nicht erst den Versuch einzuschlafen; er versuchte gar nichts. Er leerte, im wahrsten Sinne des Wortes, einfach seinen Geist, entspannte sich, atmete innerlich einmal tief durch und – schlief. Als Zek ihn wenig später leise ansprach, bestand seine einzige Reaktion darin, dass ihm die Hand von der Brust glitt und im Gras neben seinem Körper liegen blieb. Ein flüchtiger Blick in seine Gedanken enthüllte ihr das der Traumphase vorausgehende »weiße Rauschen«, das den Schlaf eines Menschen anzeigte, und einen sich auflösenden, in sich zusammensinkenden Zahlenwirbel, als Nathans Geist vor lauter Erschöpfung abschaltete und nur noch die Grundfunktionen aufrechterhielt.
Momentan war der Necroscope, trotz all seiner übersinnlichen Fähigkeiten, mental kaum mehr als ein Staubkorn, das einfach dahintrieb, wohin auch immer die verschlungenen Pfade seiner Träume und Fantasien es tragen mochten.
Trask breitete eine Decke über Nathans Schultern und sah achselzuckend die anderen an. »Ich bin auch müde. Die Anspannung und die Sorge, nehme ich an, ganz zu schweigen von den körperlichen Anstrengungen, die er hinter sich hat. Gott allein weiß, was sein Talent ihm abverlangt! Wir können ihn eine gute Stunde lang ruhen lassen, damit er – bildlich gesprochen – seine Batterien wieder auflädt. Dafür sollte aber jeder Einzelne von uns auf der Hut sein und aufpassen, und sobald sich irgendetwas regt, wecken wir ihn.«
Grinser schien zu verstehen. Er erhob sich, sprang in ausgreifenden Sätzen an den Rand der Lichtung und begann sie, aufmerksam witternd, zu umrunden. Nicht nur seine spitzen Wolfsohren »lauschten« nach allen Seiten zugleich, sondern auch seine übrigen, wer weiß wie vielen Wolfssinne, die eine Gefahr schon von Weitem erkannten. Zek und Chung begannen ebenfalls hin und her zu wandern. Dabei ließen sie ihren Talenten freien Lauf in Richtung Norden, um zu erkunden, was auch immer es zu erkunden gab.
Ian Goodly blieb unweit von Nathan am Feuer sitzen. Hin und wider warf er einen Blick auf den schlafenden Necroscopen. Vielleicht versuchte auch er, einen flüchtigen Blick auf ... was auch immer ... zu erhaschen.
Eygor Todesblick verschwendete keine Zeit. Seine zuvor entwickelte Verbindung zu Nathan brachte ihn geradewegs in den Geist seines Opfers, und die Panik und Verwirrung des Ungeheuers kündeten von dem Zustand, in dem sich Eygor in seiner Grube in der Irrenstatt im fernen Turgosheim befand.
Necroscope, was für Schrecknisse hast du über mich gebracht? Was tust du mir an? Seine Totenstimme war voller Bosheit, wie das Gurgeln schwefliger, aus einem Sumpf aufschwappender Blasen; aber seine Angst war echt.
Nathan erkannte ihn sofort. Doch obwohl er Eygors vorerst unerklärliche Besorgnis spürte, erwiderte er: Oh? Versuchst du es schon wieder? Sag bloß, jetzt behauptest du auch noch, du seist irgendeiner Tat von mir zum Opfer gefallen?
Was ... hast ... du ... Maglore ... erzählt?, zischte Eygor. Dies half Nathans Gedächtnis auf die Sprünge. In seiner Erinnerung stiegen Bilder auf. Aha! , machte Eygor, als er sie sah, seine Stimme düsterer denn je. Das erklärt einiges!
Und was, bitte schön?, meinte Nathan wegwerfend.
Du hast ihm mit mir gedroht. Leugnest du das?
Nein, es war ein Wortspiel. Er provozierte mich, und ich zahlte es ihm in gleicher Münze heim. Er drohte mir, und ich ...
... und du drohtest ihm, und zwar mit mir, aye!, führte Eygor den Satz zu Ende. Allerdings war es für ihn weit mehr als nur ein Wortspiel. Maglore weiß um deine Kräfte, Necroscope, und diejenigen, die er noch nicht kennt, ahnt er zumindest. Du machtest eine Andeutung, dass von einem toten, alten Ding in einer Grube eine Gefahr für ihn ausgehe, dass unter gewissen Umständen – und den rechten Bedingungen – ein Geist mehr sein könne als bloß ein Schattenwesen. Für dich war es ein Wortspiel, ein Witz, eine achtlos hingeworfene Drohung, und die meisten Lords der Wamphyri würden es ebenso auffassen. Nicht jedoch Maglore!
Nathan wusste, was er damit sagen wollte – nämlich dass Maglore von Runenstatt ein Seher war, dessen übersinnliche Fähigkeiten diejenigen gewöhnlicher Wamphyri und deren Talente bei Weitem überstiegen. Maglore glaubte an Omen und Vorzeichen; Sprüche und Verfluchungen waren keine leeren
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