Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
Schichten emporgehoben, um im tiefen Wüstensand als nackter Granit zutagezutreten. Hier verlief tief unter der Erde der größte Wasserlauf der Thyre, den sie den Großen Finsterfluss nannten. Unter unverwüstlichen Gesteinsschichten, die hier gewaltige Gewölbe bildeten, floss er in zahllosen Kanälen über die Untiefen der gesprungenen Felssohle, in denen es nur so von Aalen wimmelte, ostwärts. Hier, in den Kavernen an den Ufern des mäandernden Flusses, lag die Siedlung der Thyre. Nathan hätte sich geradewegs in die Höhlen versetzen können, die ihm von seinen Wanderungen bei den Thyre her noch gut im Gedächtnis waren; doch zuerst wollte er nachsehen, wer da überhaupt angriff und wie viele es waren.
Es handelte sich um lediglich zwei Flugrochen mit ihren Reitern. Sie befanden sich noch in der Luft und verdunkelten im Vorüberfliegen die Sterne. Doch sie spürten Nathans Zahlenwirbel, als er aus dem Möbiuskontinuum trat, und wussten daher, dass er da war. Und da er selbst ebenfalls über telepathische Fähigkeiten verfügte, spürte er, wie sie ihre Gedanken Richtung Norden sandten, um sein Auftauchen zu melden.
Damit war ihnen nun eine weitere seiner Koordinaten bekannt. Gut! Sollten sie ihre Linien ruhig weiter auseinanderziehen bei dem Versuch, sie alle abzudecken, was schlichtweg unmöglich war. Diesen Gedankengang behielt er allerdings für sich.
»Beobachter«, meinte er zu Goodly. »Ich bezweifle, dass sie landen werden. Hier gibt es nichts für sie.«
Nathan hatte Karl Zestos’ Leute hierherverfrachtet und zusätzlich zwei von Lardis’ Männern, die mit Waffen von der Erde ausgestattet waren. Ohne zu zögern, brachte er den Hellseher nun hinab unter die Erde, wo er als Erstes überprüfte, ob die Zugangswege von der Oberfläche tatsächlich alle getarnt und vermint und sowohl die Thyre als auch die Szgany Zestos so gut wie möglich vor einem Angriff geschützt waren.
Anschließend ließ er sich von einem von Lardis’ Leuten dessen Waffe geben – ein automatisches Gewehr – und versetzte sich wieder nach draußen. Und damit die Vampire auch wirklich wussten, dass er weitergezogen war, erschien er mit voller Absicht einen Augenblick lang auf der Oberfläche, ehe er sich zur Stätte-der-Bestienknochen aufmachte.
Stätte-der-Bestienknochen war einer der wenigen Fehler, die Nathan an einem mit Ereignissen angefüllten Sonnseiten-Abend unterlaufen waren. Nun erkannte er seinen Irrtum, vielleicht gerade noch rechtzeitig. Außerdem wurde ihm klar, dass diesen Ort ausgerechnet jetzt aufzusuchen alles womöglich nur schlimmer machte. Aber das Risiko musste er eingehen. Sein Fehler bestand in der geografischen Lage der Siedlung; sie befand sich nur sechzig Kilometer südöstlich des Großen Passes, noch innerhalb von Devetakis Reichweite. Schlimmer noch, da es sich um keine unterirdische Kolonie handelte, war sie einem Angriff schutzlos preisgegeben.
Der Ort lag in einer Senke inmitten der Wüste, in einer Schlucht, die der Große Finsterfluss, der hier an die Oberfläche trat, in die Felsen gegraben hatte. Die Siedlung selbst bestand aus flachen Höhlen in den Canyon-Wänden. Das Wasser hatte die weicheren Gesteinsschichten ausgewaschen und die versteinerten Überreste gewaltiger prähistorischer Kreaturen freigelegt – daher der Name des Ortes. Die Wände der Schlucht fielen allerdings nicht steil ab, sondern bildeten terrassenartig breite Simse, auf denen Flugrochen wie auch Krieger ohne Schwierigkeiten niedergehen konnten. Zudem gab es keine unterirdischen Fluchtwege. Wo der Fluss wieder in der Erde verschwand, ging es senkrecht nach unten, und weder zu Fuß noch per Boot vermochte man seinem Lauf zu folgen.
Möglicherweise hatten die Wamphyri bereits Nathans ersten Besuch mitbekommen, bei dem er eine kleinere Gruppe in den Wäldern lebender Traveller hier abgesetzt hatte; und falls nicht, so wussten sie nun doch mit Sicherheit Bescheid. Das hieß, dass die Stätte-der-Bestienknochen verteidigt werden musste – was wiederum eine ganze Reihe weiterer schwindelerregender Möbiussprünge bedeutete, um aus anderen Siedlungen Bewaffnete herzuholen.
Du hättest die Thyre und Szgany auch von dort wegbringen können, sagte Goodly zu ihm, als sie unterwegs waren. Allerdings ... würde der Ort dann ein Stützpunkt der Wamphyri werden. Aber im Grunde würde uns dies auch nicht weiter schaden. Ich meine, mittlerweile dürfte Devetaki doch sicher begriffen haben, dass sie unmöglich an allen Orten, an
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