Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
düsteres Zwielicht, ja, man hätte es sogar dunkel nennen können, wären nicht hin und wieder die Raketen der Lidescis aufgeflammt, die an ihren Zielen vorbei in den Himmel schossen, und hätte nicht eine Hand voll Wolken den Widerschein brennender Feuer reflektiert. Doch was bedeutete die Nacht schon für Wamphyri-Augen? Nichts, und düsteres Zwielicht noch viel weniger. Canker jedenfalls vermochte recht gut zu sehen.
Außerdem hatte er Nestors Warnruf vernommen und auch die Anweisung, die Wratha ihrem Gefolgsmann erteilte, nämlich dass er diesen Narren über den Rand des Felsens schleudern sollte. Unverzüglich gab Goban seinem Flieger die Sporen und stieß im Sturzflug herab.
Doch dann loderte aus dem Kasten auf der Schulter des Mannes ein Licht auf wie von einer winzigen Sonne, und eine Lichtlanze schoss hervor, blitzartig wie der Biss einer Schlange, mit einer Spitze aus gleißendem Metall. Sie zog einen Dunststreifen hinter sich her und fauchte und zischte wie ein Krieger, allerdings um einiges tödlicher! Die Bauchtasche von Gobans Bestie klaffte bereits auf, um diesen Irren zu schnappen und vor ihr her über den Felsrand zu fegen. Doch weder der Flieger noch sein Reiter sollten ihn je erreichen.
Die »Lanze« erwischte den Flieger mitten in der unter dem Halsansatz gelegenen Bauchtasche, direkt unterhalb des Sattels, wo der lange, sich immer mehr verjüngende Hals sich zum Körper hin verbreiterte. Sie drang tief in die mit Knorpelhaken bewehrte maulartige Öffnung ein, wurde nach oben hin abgelenkt und durchbohrte das Fleisch zwischen Bauchtasche und Sattel – wo sie explodierte.
Mit panzerbrechendem Hochleistungssprengstoff bestückt, hätte die Rakete auch einen Panzerwagen aufgehalten. Im Vergleich dazu waren die hohlen Knochen und das membranartige Fleisch des Fliegers nicht stärker als ein Papiertaschentuch. Oh, Kugeln würden sie mit Leichtigkeit abfangen, und zwar eine ganze Menge davon, ehe die Kreatur genügend Körperflüssigkeit verlor, um ernsthaft verletzt zu sein. Aber eine Dreißig-Millimeter-Rakete war etwas vollkommen anderes. Nathan hatte zwar schon gesehen, was ein aus einer Armbrust abgeschossener Sprengbolzen im Fleisch eines Fliegers anzurichten vermochte, aber etwas Derartiges hatte er noch nicht erlebt.
Die Rakete explodierte sternförmig nach allen Richtungen zugleich. Unten riss sie die Bauchtasche der Bestie mit einer Leichtigkeit weg, als würde jemand einen Grind abkratzen, und schleuderte sie zu Boden. An den Seiten zerfetzte sie den Halsansatz des Fliegers, schnitt durch Fleisch und Sattelverzierungen gleichermaßen und fetzte Muskeln, Membranen und Knorpelstücke von den Vorderkanten der Schwingen. Nach oben hin durchtrennte sie den Sattel wie ein Messer ... und Goban ebenfalls! Reiter samt Sattel wurde in zwei Teilen – buchstäblich in Stücke gerissen – nach oben geschleudert!
Ein etwa ein Meter langer Fetzen wurde dem Flugrochen regelrecht aus dem Rückgrat gehackt. Er verlor jede Kontrolle über seinen Körper, und auch wenn in seinen Adern das Blut der Untoten floss, war er doch im wahrsten Sinne des Wortes tot, noch ehe er auf dem Boden aufschlug. Die Augen in dem beinahe menschlich anmutenden Kopf am Ende des langen allmählich in sich zusammensackenden Halses wurden glasig. Die blassrosafarbenen wurmartigen Tentakel zuckten krampfhaft, bevor sie sich zusammenrollten und wieder in ihren Körperhöhlungen verschwanden. Der Flieger geriet ins Schlingern, als die Spannkraft der gekrümmten Schwingen nachließ ... doch noch immer glitt er zielstrebig auf Nathan zu.
Nathan duckte sich und zwängte sich tiefer ins Gestrüpp, um nicht von den Flüssigkeiten der Bestie durchnässt zu werden, als deren zäher massiger Körper mitsamt den zuckenden tentakelhaften Stoßbeinen dicht an seinem Kopf vorüberschrammte. Der sich immer mehr verjüngende Schwanz schlug, im Vorübergleiten den Ginster ausreißend, hin und her wie eine verkrüppelte Schlange, und noch immer raste das Wesen auf den Felsrand und den tödlichen Abgrund dahinter zu.
Doch Nathans Kopfputz – das Nachtsichtgerät zum Raketenabschuss – hatte etwas abbekommen und saß ihm nun schief auf dem Kopf. Inmitten des Ginsters lag er auf den Knien, völlig außer sich von seinem Erfolg und verzweifelt bemüht, die Zielvorrichtung neu auszurichten. Endlich konnte er es ihnen heimzahlen ... den Wamphyri! Und in seiner zylindrischen Röhre wartete noch eine weitere Rakete. Alles, was er tun musste, war,
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