Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
zwischen dem Gebirge und dessen Ausläufern, unterhielt er einen Garten. Die Wamphyri schlossen sich gegen ihn zusammen und überfielen ihn dort. Aber sie trafen auf erbitterte Gegenwehr! Der Herr des Gartens und sein Vater bedienten sich der Kraft der Sonne – frage mich nicht, wie, mein Lord, denn ich weiß es nicht –, um die Streitmacht der Vampire noch in der Luft zu vernichten. Geschlagen und schwer verletzt flog eine Hand voll Überlebender zurück zu ihren Felsenhorsten auf der Findlingsebene. Doch die Türme standen nicht mehr! Bis auf diesen einen hier, den letzten Felsenturm, der damals noch Karenhöhe hieß nach der Lady, die ihn bewohnte, lagen sie alle zerschmettert auf der Ebene. Und warum dieser hier verschont wurde« – Zahar zuckte entschuldigend die Achseln – »das weiß ich leider nicht ...«
»Ah!«, seufzte Nestor. »Die eingestürzten Felsenburgen!«
»In der Tat, mein Lord. Denn der Herr des Gartens und sein Vater waren ihnen zuvorgekommen. Sie waren Zauberer und konnten sich innerhalb eines einzigen Augenblicks, ungeachtet der Entfernung, von einem Ort zum andern begeben. Sie zerstörten die Gasbestien, ließen das schiere Sonnenlicht in die Methankammern strömen und legten die Felsentürme in Trümmer! Als alles vorüber war, brachen die wenigen überlebenden Wamphyri auf und flogen ins selbst gewählte Exil in die Eislande ...«
Abermals seufzte Nestor auf. Wie es schien, hatte er eine Zeit lang den Atem angehalten. Erneut flüsterte er: »Die eingestürzten Felsentürme! Von Ruß geschwärzt! Die gewaltigen Steintrümmer auf der Ebene ...« Er blickte seinen Leutnant an: »Zahar, in dieser Hinsicht deckt deine Erinnerung sich exakt mit der meinen. Denn auch ich habe diese Legende schon einmal gehört, nur hatte ich sie vergessen, wie so vieles andere auch.« Zu guter Letzt zeigte er nun doch eine gewisse Erregung, und Zahar gratulierte sich dazu, dass es ihm gelungen war, seinen Gebieter zu begeistern.
»Ist es wichtig, mein Lord?«
Nestor bedachte ihn mit einem missbilligenden Blick. Er legte die Stirn in Falten und schürzte die Lippen. »Ich weiß es nicht. Ich weiß nur eines mit Sicherheit, nämlich dass Wratha und die anderen falsch liegen. Denn sie glauben, es handelte sich um ein Himmelfahrtskommando der Szgany, das bei Sonnauf über den Pass vorstieß, die Grundfesten der Felsenburgen verminte und sie in die Luft sprengte! Nun, lassen wir sie das ruhig glauben, für den Augenblick zumindest. Aber ... hast du diese ›Legende‹ jemals Vasagi gegenüber erwähnt?«
Zahar zuckte die Achseln. »Wir waren doch bereits einer Meinung, dass Vasagi nicht sehr gesprächig war. Außerdem halten die meisten Lords der Wamphyri im Allgemeinen nicht viel davon, mit bloßen Leutnanten Konversation zu betreiben. Äh ... das soll nicht etwa heißen, dass du dich unter dein Niveau begibst, mein Lord, lediglich dass ...«
»Ja, ich weiß«, schnitt Nestor ihm das Wort ab. »Ich und mich unter mein Niveau begeben? Natürlich nicht, keineswegs! Im Gegenteil, ich erweise dir eine Ehre! Du darfst dich glücklich schätzen!«
»Das tue ich, mein Lord.«
»Dann schreibe dir eins hinter die Ohren, und betrachte es als Befehl: Sprich nie mehr von diesen Dingen, es sei denn zu mir, wenn oder falls ich dies wünsche. Was ich weiß, vermag mir nicht mehr zu schaden, und was meine ›Gefährten‹ nicht wissen, braucht sie auch nicht zu interessieren. Verstanden!?«
»Jawohl, mein Lord.«
Daraufhin verlor Nestor sich in düsteren Gedanken, die er in folgende Worte fasste: »Mir scheint, damals gab es gewisse Kräfte, und einige davon könnten vielleicht sogar heute noch existieren. Man sollte sich näher mit dieser Sache befassen.«
»Glaubst du, dass es unter den Szgany Lidesci auch heute noch Zauberer gibt, mein Lord?«
Darauf hatte Nestor ihn ganz merkwürdig angesehen, ehe er erwiderte: »Ich kann mir vorstellen, dass es durchaus einen gegeben hat , ja. Zumindest damals in jener Nacht, als wir beide, du und ich, gemeinsam auf der Sonnseite jagten.« Und mit äußerstem Grimm wiederholte er: »Aye, ich glaube, zumindest einen könnte es durchaus gegeben haben ...«
Diese ganze – unangenehme? – Unterhaltung hatte vor etwa einhundert Stunden in Lord Nestor Leichenscheus Ruhegemach in der Saugspitze stattgefunden.
Doch nun musste Zahar seine Gedanken zurück in die Gegenwart zwingen, in das Hier und Jetzt, und der Tatsache ins Auge sehen, dass er soeben »gehört« hatte, wie sein
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