Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
Nekromanten in Empfang zu nehmen und ihn zu seiner sicheren Rückkehr zu beglückwünschen.
Doch als sie zurück zur letzten Felsenburg flogen und in niedriger Höhe über das Tor zu den Höllenlanden hinwegglitten, hatte etwas ihre Aufmerksamkeit erregt. Eine weibliche Gestalt kletterte über den Rand des zu dem Tor führenden Kraters, um sich schwankend und torkelnd auf den Weg hinaus in die Geröllebene zu machen. Doch ... eine zur Gänze menschliche Frau, hier?
Die drei ließen ihre Flieger zur Erde sinken und näherten sich ihr, Nestor und Zahar neugierig, Canker dagegen völlig verblüfft und voller Ehrfurcht! Die Augen des Hunde-Lords hingen wie gebannt an diesem absolut unglaublichen Geschöpf und sogen ihre Schönheit in sich ein. Und sie war eine Schönheit. Ihr Teint ... und ihr Haar ... dergleichen hatte man hier noch nie gesehen. Ihre Kleider (falls es denn Kleider waren und nicht ein Gewebe aus Nebelschleiern und zartesten Spinnweben) waren leicht und durchsichtig wie die Strahlen des Mondes. Daran hatte Canker sie erkannt und gewusst, um wen es sich handelte, wer sie sein musste.
Eine Szgany? Nein, niemals! Sie war keine missgestalte Travellerin, keine Albinofrau, die von Geburt an jedweder Farbe entbehrte! Unmöglich, immerhin waren ihre Augen so blau wie der Himmel an einem Frühlingstag! Und ihre Gestalt und ihr Aussehen ...
Sie war eine hoch gewachsene Blondine mit silbernem Haar, wie man es hier noch nie gesehen hatte, ihre Haut war hell, ohne jeden Makel, vollkommen, desgleichen ihre ebenmäßigen Züge. Sie hatte lange Beine, einen festen Körper und trug Unterwäsche aus reiner Seide. Unter dem Wirbeln ihres Kleides, zart wie Schmetterlingsflügel und nahezu durchsichtig, war dies deutlich zu sehen. Ihr Aussehen, ihr Teint, ihre Haarfarbe, was sie anhatte! Oh ja, Canker hatte sofort gewusst, wen er vor sich hatte!
Schon seit langem drehten seine hellseherischen Träume sich um sie, seine silbrige Mondgeliebte! Denn nicht anders als seine grauen Cousins, die Wölfe, die wild in den Bergen lebten, verehrte auch der Hunde-Lord den Mond und brachte ihm seine Gesänge dar, wenn er hoch oben am Himmel seine Kreise zog. In der Wrathhöhe, dem letzten Felsenturm, hatte er auf einem Balkon der Räudenstatt gar eine gigantische Orgel aus hohlen Knochen erbaut, deren Musik ihn begleitete, wenn er seine Geliebte besang. Und all dies nur, weil er von ihr geträumt hatte, dass sie eines Tages seinem Ruf folgen und, betört von seiner Musik, vom Himmel herabsteigen würde, um mit ihm in der Räudenstatt zu leben ...
... und ebendies hatte sie nun getan!
Es war sinnlos, mit ihm darüber zu streiten. Canker wusste, was er wusste, nämlich dass dies ohne auch nur den leisesten Schatten eines Zweifels seine silberne Mondgöttin war. Und hätten Nestor oder Zahar sein Urteil in dieser Angelegenheit – oder gar seinen Besitzanspruch – in Frage gestellt, dann hätte es eben Ärger gegeben.
Doch nein, sie erkannten sein Recht als Besitzer durchaus an – und falls nicht, waren sie (möglicherweise zu ihrem Glück) zu überrascht, ihm seine Träume oder auch Rechte streitig zu machen –, und so hatte Canker seine Geliebte in die Räudenstatt getragen, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes, denn als er sich ihr vor dem Portal auf der Sternseite näherte, hatte sie nur einen Blick auf ihn geworfen und war darauf ohnmächtig in seinen Armen zusammengesunken. Anscheinend (hatte er gedacht) war sie schlichtweg überwältigt davon, dass sie ihn so rasch gefunden hatte, den Mann, der sie von ihrem Tempel hoch oben herabgelockt hatte ... noch dazu, wo er so gut aussah.
In der Räudenstatt war sie sehr bald wieder aus ihrer Ohnmacht erwacht, und schon nach kurzer Zeit war Canker klar, dass er sich in der Tat nicht geirrt hatte. Denn offensichtlich wusste sie nichts über diese Welt der Menschen und der Wamphyri. Mehr noch, sie schien vollkommen unbedarft, was selbst das Wissen um irgendetwas anging! Nicht unwissend, nein – nicht angesichts ihrer unglaublichen Anmut und Schönheit; ein Klumpen Erde mochte unwissend sein, während die silbern erstrahlende Luna über genügend Wissen verfügte, die Welt zu erhellen! Aber sie hatte nicht die geringste Ahnung davon, wie hier der Hase lief! Andererseits, nun, so ganz unbedarft und unschuldig war sie nun auch wieder nicht. Immerhin wusste sie Canker in ihren Bann zu ziehen ... Doch das kam später.
Zunächst musste er ihr allerdings, nun, so gut wie alles beibringen!
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