Necroscope 9: WERWOLFSJAGD (German Edition)
Wälder und das Gebirge und schließlich hinab in das Land der Daker, in dem sie sich auskannten. Nur dass sich hier mittlerweile Lombarden, Ostgoten und Hunnen tummelten; südlich des Flusses jedoch bestand die Bevölkerung überwiegend aus Christen. Radu selbst kannte keine Religion, das Einzige, woran er glaubte, war Blut. Der Aberglaube der hier lebenden Daker interessierte ihn nicht; aber er wusste, dass es sicherer war, durch Länder zu reisen, die sich in christlicher Hand befanden, als durch von Barbaren beherrschte Gegenden.
Jedenfalls hatte er nicht die Absicht, auf der Südseite des Flusses zu bleiben, und zog schließlich wieder nach Norden ins Gebirge, in eine Gegend, die irgendwann, wesentlich später, den Namen Wallachei bekommen sollte. Denn er ging davon aus, dass er hoch oben in den Bergen eine Zeit lang von den Kriegswirren verschont bleiben würde, die über das fruchtbare Tiefland hinwegfegten.
Damit hatte er recht. Die Berge waren öde und ungastlich, und da sich dort so gut wie nichts von Wert fand, lockten sie auch keine Eindringlinge an. Radu wusste, das er die an Entbehrungen gewöhnten Landbewohner gefahrlos zum Bau einer Burg heranziehen konnte, einer eigenen Stätte, so hoch oben und unzugänglich wie nur möglich.
Dazu brauchte er natürlich Geld. Aber er hatte eine wertvolle Erfahrung gemacht: Wein und Frauen mochten einem Mann zwar verdammt guttun, doch noch viel besser war Gold. Auf seinem Weg von Rom nach Dakien hatte er nicht versäumt, entsprechende Mittel anzuhäufen. Es gab Römer, die vor dem Gemetzel, das die Barbaren anstellten, flohen; Radu hatte sie abgeschlachtet und ihnen ihre Habe abgenommen. Er metzelte Vandalentrupps nieder, die sengend und brennend durchs Land zogen, und raubte ihnen, was sie zuvor anderen geraubt hatten. An der Donau war er zu guter Letzt noch auf eine Handvoll römischer Händler und Kaufleute gestoßen, die er um ihr Gold und ihr Blut erleichtert hatte.
Nachts war er unterwegs, tagsüber fand er gegen Bezahlung in christlichen Feldlagern und Dörfern Unterschlupf, wo er den Gerüchten lauschte und zum allerersten Mal ein Wort hörte, das für die Landbewohner gleichbedeutend mit dem Teufel und allem Bösen war. In Wirklichkeit jedoch handelte es sich um einen Namen, der von weit jenseits der Berge über die Pässe bis hierher gedrungen war. Um den Namen einer Sippe – nun eher ein Fluch –, den Radu nur zu gut kannte:
Drakul!
Einst waren Karl und Egon Radus Verbündete gegen Shaitan den Ungeborenen gewesen; Nun hingegen stellten sie eine riesige Bedrohung für ihn dar, da sie nicht davon abließen, die Menschen innerhalb des Hufeisens, das die Berge Dakiens bildeten, zu plagen, und so unnötige Aufmerksamkeit auf sich lenkten. Im Gegensatz zu Radu – der eine gewisse Widerstandsfähigkeit gegen schwache Sonneneinstrahlung entwickelt hatte, bis er es sogar ertragen konnte, sich mit Kapuze und Umhang ins Freie zu wagen – waren die Drakuls wahre Kinder der Nacht; das Licht der Sonne würde sie auf der Stelle töten. Dafür hatten sie ihre Wandlungskunst in einem solchen Maß ausgebildet, dass sie wie Shaitan der Ungeborene die Gestalt einer Fledermaus annehmen und in die Nacht hinausfliegen konnten, um ihre Beute zu jagen. Nichts anderes hatten sie seit jeher getan. Überdies waren sie auf der Sternseite auch noch von Wölfen aufgezogen worden. Sie kannten sich aus mit ihnen und hielten sich in dieser Welt graue Brüder als Vertraute. Die Wölfe der Wildnis hielten Wache für sie, darum befanden sich die Drakuls in ihrer Feste in Sicherheit und brauchten keinen Menschen zu fürchten.
Im Augenblick stand es gut für sie, daher die Gerüchte, die Radu nun zu Ohren kamen. Denn die barbarischen Invasoren, die sich in der Ebene nördlich der Berge niederließen, waren nicht minder abergläubisch als die ländliche Bevölkerung, die sie unterwarfen. Wenn ihre Frauen und Kinder unverhofft starben oder mitten in der Nacht auf geheimnisvolle Weise verschwanden, wussten sie, wer dahintersteckte – der geflügelte Dämon hoch oben in seiner Bergfeste. Der »Obour«, »Viesky« oder Vampir – der Drakul! Schon vor langer Zeit hatten die beiden Brüder eine, wenn nicht mehrere Burgen im Niemandsland errichtet, von denen eine auf einem Felsvorsprung über einem Abgrund thronte.
So viel erfuhr Radu, mehr nicht. Genug jedenfalls, dass er den Entschluss fasste, nicht den Fehler zu begehen, sich ins Rampenlicht zu drängen. Unablässig rief er sich in
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