Necroscope 9: WERWOLFSJAGD (German Edition)
das, was er persönlich geschworen hatte. Er würde niemandem mehr trauen , noch nicht einmal seinen Welpen, sondern stets seinen Willen durchsetzen und dafür sorgen, dass sein Wort Gesetz war. Und glauben würde er nur noch an sich selbst und an das Blut, welches das Leben war. Vor allem jedoch wollte er sich von den Menschen fernhalten und auf der Hut sein. Niemand sollte wissen, wer er war, oder ihn unerwartet überraschen.
Vielleicht hatte der gute alte Onarius Ferengus es ja richtig gemacht. Vielleicht sollte Radu sich ebenfalls eine hohe Stellung besorgen, zusehen, dass er weiter aufstieg, unterwegs in Höhlen und Grotten Schlupfwinkel anlegen und jemanden zurücklassen, der sich in seiner Abwesenheit darum kümmerte. Dann könnte er sich wie Nonari Grobhand Ferenczy erneut wie zuvor in die Welt hinauswagen und seinen Leidenschaften frönen wie nie zuvor, doch immer in dem Bewusstsein, dass es eine Zuflucht für ihn gab, sollte es nötig werden, oder falls seine Jahre eine so hohe Zahl erreichten, dass er sich besser eine Zeit lang »zurückzog«.
Womöglich schätzte er Nonari aber auch falsch ein. Vielleicht war Nonari seit seiner »Ermordung« als römischer Senator gar nicht untergetaucht, sondern strich fröhlich umher und tat sich in den allgemeinen Wirren gütlich. Falls dies der Fall war, würde Radu zweifellos irgendwann wieder auf ihn aufmerksam werden, wenn die Zeit reif war und er in einer anderen Gegend zu Ansehen gelangte. Und, wer weiß, wenn diese Zeit kam, war vielleicht auch Onarius reif, für immer zu verschwinden. Desgleichen sein Ei-Sohn, dieser Belos Pheropzis.
Dies in etwa ging Radu durch den Kopf, während er sich tagsüber in einem Erdloch verbarg ...
Schließlich kam die Nacht. Einer von Radus Welpen starb – zu viele Schnitte im Leib, aus denen sein Blut strömte. Er verblich, ohne zu klagen, kauerte einfach da und wurde starr und steif. Der Felsspalt würde ein gutes Grab abgeben. Radu und der andere Mann, der Geiserichs Verrat überlebt hatte, wälzten von hoch oben Steine hinab, um den Spalt zu versperren und gewöhnliche Wölfe und wilde Hunde vom Leichnam ihres einstigen Gefährten fernzuhalten.
Danach machten sie sich unter dem noch vollen Mond auf in die Nacht und strebten nach Norden, auf die sich über die gesamte Länge Italiens erstreckenden Anhöhen des Apennin zu. In einem Land, in das die Vandalen eingefallen waren, stellte dies den sichersten Weg nach draußen dar.
Werwölfe sind schnelle Läufer. Schon in der folgenden Nacht trafen die beiden, hoch oben im Gebirge, auf weitere Überlebende, Männer, die zu der Meute gehörten, die Radu nach Norden gesandt hatte, um die Legion auszukundschaften, die dort angeblich aufmarschiert war. Sie erzählten, wie es ihnen ergangen war: Keine dreißig Kilometer flussaufwärts waren sie nördlich von Rom in einen Hinterhalt geraten. Zweiundvierzig von ihnen waren gefallen, nur acht hatten Glück gehabt. Irgendwie war es ihnen gelungen, über den Fluss zu schwimmen und sich in Sicherheit zu bringen, während Geiserichs bis an die Zähne bewaffnete Schar ihnen in ihren schweren Rüstungen nicht zu folgen vermochte. Anschließend hatten sie versucht, die Berge zu erreichen, weil ihnen klar war, dass sie verraten worden waren.
Nun waren sie also zu zehnt! Zehn von einhundertfünfzig. Hm, und das musste genügen, denn Radu würde eine geraume Zeit lang keine Werwölfe mehr erschaffen ...
Er schreckte hoch ... nur ein nervöses Zucken seiner Glieder, das sich in der Masse des ihn umgebenden Harzes verlief. Es weckte ihn noch nicht einmal wirklich auf, reichte aber aus, sein Unterbewusstsein in Gang zu setzen, sodass er sich verträumt fragte:
Was ...? Ist da jemand? Kommt da wer?
Er glaubte, etwas gehört zu haben, nur was? Schritte etwa? Schritte, in diesem durchlöcherten Felsen, in dem sich bis auf verstohlen umherkriechende Spinnen oder das leise Flattern von Fledermausschwingen seit undenklichen Zeiten nichts gerührt hatte? Wahrscheinlich hatte sich ein Stein aus der Decke gelöst und war heruntergefallen, und das Getöse des Aufpralls hatte ihn von einem vergangenen Zeitalter träumen lassen, in dem er Felsbrocken auf den Leichnam eines toten Gefährten gehäuft hatte ... und das Herabfallen weiterer Steine hatte ihn aufgeschreckt? Ja, das musste es sein.
Jaaa. Das musste ... es ... sein ...
Nach Rom hatte Radu seine reichlich dezimierte Schar nordwärts an die Donau geführt, von dort in östlicher Richtung durch die
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