Necroscope 9: WERWOLFSJAGD (German Edition)
Vorwurf machen; außerdem hatte er ja gar nicht vor, sich ihre Dörfer einzuverleiben ... höchstens auf sehr subtile Weise. Nein, diese Menschen brauchten keinen Eroberer, sondern einen Heiland! Er würde sie nicht töten, vorerst zumindest nicht, sondern ihnen seine Dienste als Krieger anbieten, als Wojwode , und ihnen Schutz vor jedem etwaigen Angreifer gewähren, der in diese Berge eindrang. Ein großartiger Plan, und noch dazu absolut sicher; denn wie es aussah, hatte der Hunde-Lord recht. Dieses Gebirge schien in der Tat uneinnehmbar. Kaum dreißig Jahre zuvor hatte Attila persönlich sein Feldlager am Fuß ebendieser Berge aufgeschlagen – doch selbst er umging sie, um weiter nach Westen vorzustoßen!
Was war geschehen, seit Radu mit dem Bau der Wolfskuppe begonnen hatte? Sechs Jahre waren mittlerweile vergangen, und nicht ein Fremder hatte sich in diese Höhen vorgewagt. Oder ... war es mit der Bedrohung aus dem Osten zu guter Letzt womöglich vorbei? Seine unruhigen hellseherischen Träume sagten ihm: »Nein, noch nicht!« Allerdings lag Radu mit seinen Träumen nicht immer richtig. Oh, sie zeigten ihm durchaus, was kommen würde, aber oftmals traf es anders ein, als er dachte. Die Zukunft war ein tückisches Ding, und überhaupt, wann sich etwas ereignen würde, vermochten seine Träume ihm auch nicht zu sagen.
Schließlich kehrte auch der Letzte von Radus Kundschaftern wieder, und auch der Mann, den er in die Steppe hinabgesandt hatte, um zu sehen, wie dort die Dinge standen, war zurück. Nun hatte Radu Klarheit: Die Hunnen hatten sich wieder nach Osten verzogen oder siedelten in den Ebenen im Norden. Vorerst waren die Kämpfe, zumindest hier, in dieser Gegend, vorüber. Die Zeit schien günstig, seinen Einflussbereich auszudehnen. Nun konnte er seinem Wamphyri-Streben nach einem eigenen Revier freien Lauf lassen.
Diese Berge gehörten offenkundig niemandem. Hin und wieder mochte sie irgendjemand, dieser oder jener Herrscher, für sich beanspruchen, aber niemand herrschte hier wirklich. Man könnte behaupten, dass sie den Dakern, den Ungarn oder den Römern gehörten, wem auch immer; doch wer war schon hier, um diesen Anspruch durchzusetzen? Niemand ... abgesehen von Radu Lykan! Was war ein Gebirge denn anderes als eine Feste? Und erst recht diese Berge, die wie ein gewaltiges Bollwerk gegen alles, was aus dem Osten kam, in den Himmel ragten.
Wie unwirtlich sie waren! Nicht anders als die ungeheuren Felstürme der Sternseite. Ah, aber was hieß schon unwirtlich? Verglichen mit der Sternseite gab es hier alles im Überfluss. Und sie waren unzugänglich. Aye, für jedweden Eindringling – nicht jedoch für einen Mann, der sich hier bereits niedergelassen hatte. Und Radu war dieser Mann.
Nun gut, Weiler für Weiler, Dorf für Dorf, Siedlung für Siedlung würde er diese dakischen Berge, die bislang noch nie jemand erobert hatte, unter seine Herrschaft bringen. Zunächst würde er nur der Wojwode Radu sein, später dann ein kleiner Fürst und schließlich König eines eigenen Landes – dieses Landes! Wenn es fünfzig Jahre dauerte oder auch länger, was bedeutete das schon für Radu? Er war ein Wamphyri und lebte bereits seit Jahrhunderten, und ungezählte Jahre lagen noch vor ihm. Seine Männer von einst, die Knechte und Leutnante, die mit ihm durch das Tor gekommen waren – wo waren sie nun? Unter der Erde, tot und begraben, oder auf irgendeinem Schlachtfeld in stinkenden Rauch aufgegangen! Selbst die zähesten von ihnen lebten seit zwanzig Jahren nicht mehr. Radu hingegen ... Er sah aus wie Anfang dreißig, jünger, wenn er es wünschte! Ein Leben im Verborgenen? Bah ... fürs Erste nicht mehr! Und Abgeschiedenheit? Oh, ja! Er würde diese Berge schützen und sie ihn.
So sei es ...
Gerüchte. Einem von Radus Kundschaftern war zu Ohren gekommen, dass ein Ferenczy gemeinsame Sache mit den Vandalen machte. Hah! Dann mal viel Glück, welcher es auch sein mochte, ob nun Nonari Grobhand – falls er tatsächlich noch am Leben war – oder sein Sohn, jener Belos Pheropzis. Denn wenn dieser Mistkerl Geiserich mit all seinen Söldnern so umsprang wie mit Radu ... nun, ein Ferenczy weniger, den er dann jagen musste!
Und was die Drakuls betraf:
Sie wohnten in Burgen, wahren Festungen (»Stätten« natürlich) an der westlichen Grenze Dakiens – in den Zarundului-Bergen und den Nordkarpaten. Vielleicht waren sie mittlerweile untereinander verfeindet; zumindest hielten sie einigen Abstand voneinander! Umso
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