Necroscope 9: WERWOLFSJAGD (German Edition)
Vorgehen in Wirklichkeit doch recht raffiniert war: Zunächst verwandelten sie Radus Gefolgschaft, und war die Grundlage seiner Macht erst vernichtet ... dann konnten sie ihn angreifen!
Dies in etwa ging Radu durch den Kopf, und vor seinem geistigen Auge sah er geradezu, wie die Drakuls allmählich nach Osten vorrückten, sich seine Siedlungen und Dörfer einverleibten, bis sie zu guter Letzt als Anführer zweier gewaltiger Vampirhorden ihre Kräfte vereinten, um schließlich seine Höhlenstätte, die Wolfskuppe, zu stürmen ... in der Radu und der klägliche Rest seines Rudels dann in der Falle säßen.
Und dann ...
... Vielleicht lag es an Radus makabren Erinnerungen (denn auch eine Kreatur, die mit der Zeit zu etwas unsagbar Bösem geworden ist, mag in ihrem Unterbewusstsein vor Angst erschauern, wenn sie von Albträumen aus ihrer Vergangenheit heimgesucht wird; selbst das schrecklichste Wesen vermag noch, Entsetzen zu empfinden), jedenfalls überlief ihn unwillkürlich ein Schauder. Inmitten des halb festen Harzes in seinem Bottich begann er zu beben.
Oder hatte etwas das Harz erschüttert?
Was? Ein Laut! Ein Widerhall, ganz schwach nur – oder verstohlen? Die Drakuls kamen ...!!!
Nein, nein, das war doch nur ein Traum aus ferner Vergangenheit! Was er gehört hatte hingegen ... befand sich hier, bei ihm. Eine Bedrohung! Diesmal irrte er sich nicht. Da war jemand! Oder ... war jemand unterwegs zu ihm? Aber natürlich, irgendwann würde sie kommen. Sie war einfach wunderbar, und sie kam jedes Mal. War es das: Vorfreude? Vielleicht auch Wunschdenken? Was er sich so alles vorstellte!
Oh, jaaa! Aber es war doch viel zu früh ... Es würde noch eine ganze Weile dauern, bis sie kam.
Vorfreude, jaaa. Aber noch nicht ... noch musste er warten ...
Nein, noch nicht ... aber bald ...
Langsam ließ Radus Anspannung nach und wich erneut seinen lebhaften Träumen, die seine Besorgnis verdrängten. Sein Geist kehrte, wenn auch zögernd, widerstrebend in jenen tiefen Schlaf zurück, in dem er die vergangenen Jahrhunderte noch einmal durchlebte ...
***
Damals, in den Bergen Moldawiens, hatte Radu kaum mitbekommen, in was für einer prekären Lage er sich befand. Das allmähliche Vorrücken der Drakuls über die Berge Transsylvaniens hinweg nach Moldawien nahm er als ebendas wahr, was es auch war: allmählich. Dabei hatten sie etwas ganz anderes im Sinn. Sie wollten es keineswegs langsam angehen und hatten auch nicht vor, lediglich ihren Herrschaftsbereich zu erweitern. Sie führten einen Vernichtungsfeldzug.
Ihr Ziel war Radu. Sie wollten ihn ausschalten, und zwar sofort!
Zum Teil lag es an der Feindschaft, die zwischen allen großen Vampiren besteht, an einem Hass, der existierte, seit auf der Sternseite die ersten Festen errichtet wurden. Die Blutkriege einer Parallelwelt hatten ihn geschmiedet, und auch in dieser Welt würde er niemals enden, jedenfalls nicht solange noch jemand lebte, um ihn weiterzutragen. Tief in seinem schwarzen Herzen wusste ein jeder Lord der Wamphyri, dass er, wollte er am Leben bleiben, andere seiner Art töten musste, ehe sie ihn umbrachten.
Aus der Sicht der Drakuls kam noch etwas anderes hinzu: Sie mussten Radu beseitigen, um den Weg für ihre Eroberungen frei zu machen. Denn eines stand für sie fest, nämlich dass sie bewiesen hatten, dass man auch hier als Vampir leben konnte, ohne sich ständig zu verbergen. Anonymität war nicht länger vonnöten und keineswegs mehr gleichbedeutend mit einem langen Leben – Unbesiegbarkeit dagegen schon!
Die Drakuls waren zwar keine Seher, aber sie planten alles bis ins Detail. Im Augenblick erschienen einem diese in den Himmel ragenden Berge noch riesig. Doch was würde die Zukunft bringen? Wäre dann immer noch Platz genug für alle Wamphyri, seien sie nun von einem Weib geboren oder aus der Übertragung eines Eies oder verseuchten Blutes hervorgegangen? Wer von ihnen sollte über dieses karge, düstere Gebirge herrschen? Die Ei- und Blutsöhne edler Drakuls oder die elende Brut erbärmlicher Hunde-Lords? Und was war mit den Ferenczys? Nun, vorerst waren sie noch kein Teil dieser Gleichung, Radu hingegen ganz gewiss ...
Radus Stoßtrupps waren bereit. Er war im Begriff, sie westwärts, über die hohen Pässe zu schicken, als ihm ein Gerücht zu Ohren kam – ein Gerücht, das in seiner Fantasie Wurzeln schlug und ihn nicht mehr losließ. Darauf sandte er das für Iacobani bestimmte Kontingent nach Norden und führte seinen eigenen Trupp in
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