Necroscope 9: WERWOLFSJAGD (German Edition)
den Toren Moskaus in Schutt und Asche gelegt wurde! Was, wenn die Sache mit Harrys Frau und seinem Kind von langer Hand vorbereitet war, wenn sie es seit seinem Aufeinandertreffen mit Boris Dragosani geplant hatten? Was, wenn sie wussten, dass er, Harry Keogh, noch lebte, obwohl sein Körper – sein ursprünglicher Körper – tot war? Sofern irgendjemand über diese Information verfügte, dann doch die internationalen ESPionage-Organisationen! Die Top-Telepathin der Gegenseite, Zek Föener, wusste mit Sicherheit Bescheid ... und nach der Zerstörung von Schloss Bronnitsy hatte Harry sie gehen lassen. War es möglich, dass sie es von ihr erfahren hatten? Hatten sie daraufhin Brenda und das Baby gekidnapped, um ein Druckmittel gegen den Necroscopen in der Hand zu haben?
Doch nein, das meiste davon ergab überhaupt keinen Sinn; im Anschluss an seinen Kampf mit Dragosani war er körperlos gewesen und kein Mensch auf der ganzen Welt, Harry eingeschlossen, hätte damit gerechnet, dass er je zurückkehren würde. Andererseits gab es durchaus einen kleinen Teil, der Sinn machte! Ziemlich am Ende der ganzen Auseinandersetzung, hoch oben in der Khorwatei in den östlichen Karpaten, hatte Zek Föener erfahren, dass er wieder zurück war. Also hätte sie ihn auch verraten können; das hieß, dass ihre Vorgesetzten in Russland das Puzzle schließlich zusammengesetzt hatten, und zwar in ... nur achtzehn Monaten? Nachdem er ihr E-Dezernat so sehr dezimiert hatte?
Unmöglich! Er hatte den Sowjets einen so empfindlichen Schlag versetzt, dass sie dazu keinesfalls in der Lage waren. Was bedeutete, dass dies eine weitere Sackgasse war, und in gewisser Weise war der Necroscope froh darüber. Zek Föener würde er nur ungern die Schuld an all dem geben, zum Teil, weil er sie wirklich mochte, vor allem aber weil er sie mit seinen letzten Worten davor gewarnt hatte, sich je wieder gegen ihn oder die Seinen zu stellen. Leere Drohungen brauchte man erst gar nicht auszusprechen; aber so brauchte er seinen Worten keinen Nachdruck zu verleihen ...
Also ... war Brenda je an einem Ort gewesen, an den sie unbedingt wieder zurückkehren wollte? Da gab es nichts Nennenswertes. Oder hatte sie je zum Ausdruck gebracht, dass sie sich nach einem bestimmten Ort sehnte? Wiederum Fehlanzeige! Seit dem Teenageralter hatte sie nie etwas anderes gewollt, als mit Harry zusammen zu sein. Dabei hatte er sich noch nicht einmal besonders um sie bemüht. Ja, hundert Mal hatte er sich gefragt, ob er sie wirklich liebte oder ob es bloß reine Gewohnheit war. Sie hatte nicht das Geringste davon geahnt (er hatte es nicht übers Herz gebracht, es ihr zu sagen, weil sie sich ihrer Gefühle so absolut sicher war), doch nun verachtete er sich dafür.
Andererseits, wie bringt man jemandem, der einen schon seit so langer Zeit – eigentlich solange man denken kann – liebt, bei, dass man sich seiner Sache einfach nicht sicher ist? Gar nicht so leicht! Und noch um ein Vielfaches schwerer, wenn die Frau von einem schwanger ist.
Nebelverhangene Landschaften, eine dramatische Szenerie, Pfade, die sich an Klippen entlangschlängeln, überwucherte Gärten und ein sternenklarer Himmel ...
All dies ließ ein Bild vor seinem geistigen Auge entstehen, doch wovon? Hohe Pässe und Bergspitzen und Sterne, die wie gefrorene Eissplitter am Himmel funkeln. Und eine Findlingsebene, die sich unter dem Wabern einer geisterhaften Aurora weit bis zum nördlichen Horizont erstreckt.
Das Bild kam und verschwand wieder wie ... wie eine Ausgeburt seiner Fantasie? Ja, das musste es wohl sein, denn einen derartigen Ort hatte er nie gesehen. Jedenfalls verblasste es bereits und wurde zu einem unwirklichen Hirngespinst, einer zerfließenden Traumlandschaft. Wahrscheinlich war dies auch die Erklärung dafür: Als er versucht hatte, sich ein Bild von dem Zuhause zu machen, das Brenda sich wünschte, hatte er sich unbewusst an einen Traum erinnert, den er früher einmal gehabt hatte. Nun, nicht unbedingt früher ... denn tatsächlich stand das Ereignis noch aus, doch dies konnte der Necroscope zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen; und im nächsten Augenblick war das Bild auch schon verschwunden.
Die Zukunft ließ sich nun mal nicht gern in die Karten blicken ...
Eine Million Orte? Zur Hölle, nein, eher eine ganze Billion! Da Brenda nie groß herumgekommen war und sich auch nie mit irgendetwas Besonderem beschäftigt hatte, konnte sie im wahrsten Sinne des Wortes überall sein und Gott weiß
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