Necroscope 9: WERWOLFSJAGD (German Edition)
heiße ich einfach B. J.« Aber sie begriff sehr wohl, was er meinte, darum fuhr sie rasch fort: »Ich habe mich noch gar nicht bei dir bedankt. Ich stehe in deiner Schuld, Harry!«
»Nun, zumindest schuldest du mir eine Erklärung«, pflichtete er ihr bei. Er zuckte die Achseln. »Weißt du, da wären noch ein paar Kleinigkeiten ...«
»Aber nicht hier! Nicht jetzt! Außerdem gibt es auch noch einiges, was ich gern über dich erfahren würde ...«
Harry erkannte, wenn jemand ein Wortspiel mit ihm spielte, und auch er war darin nicht gerade unbewandert. »In Ordnung, nicht hier«, lächelte er. »Nicht jetzt!« Zu seinem Erstaunen genügten ein, zwei kleine Schlucke, und schon machte der Cognac ihn wesentlich lockerer. Doch besser, er ließ sich nicht zu sehr oder zu rasch gehen! Er spürte ihre Augen auf sich ruhen und schließlich erwiderte er ihren Blick, sog sie geradezu in sich ein.
Da stand sie also vor ihm, eine fleischgewordene Versuchung. Vielleicht sah sie nicht ganz so gut aus, wie George Jakes und Harry gedacht hatten; aber sie war zweifellos attraktiv – jedenfalls fühlte Harry sich zu ihr hingezogen. Ihre Augen standen nur ganz leicht schräg, ein tiefes, durchdringendes, goldgesprenkeltes Haselnussbraun – fast wie bei einem wilden Tier. Ihre Ohren, die die glänzende Lockenpracht nur unzureichend verbarg, waren groß und liefen spitz zu, fielen jedoch nicht weiter auf, weil sie flach am Kopf anlagen und ihr beinahe das Aussehen einer Elfe verliehen. Sie hatte eine Stupsnase, allerdings ohne dabei »niedlich« zu wirken. Und erst ihr Mund: Er war viel zu breit und dabei doch einfach hinreißend geschwungen. Der Necroscope konnte sich nicht entsinnen, jemals so vollkommen weiße Zähne gesehen zu haben.
Aber auch sie musterte ihn eingehend. »Du hast vielleicht komische Augen«, meinte sie. »Na ja, nicht unbedingt komisch, eher ... merkwürdig. So als würde jemand anderes aus ihnen hinausschauen.«
Das hätte Harry ihr erklären können, doch er schwieg, während sie fortfuhr: »Sie sehen irgendwie traurig aus, so voller Mitgefühl und ... ich weiß nicht, vertrauenswürdig? Aber ganz tief drin, da sind sie vielleicht auch ein bisschen kalt. Hat das Leben dich kalt werden lassen, Harry? Hast du schon so viel durchgemacht?«
»Wie, hast du mir etwa aus der Hand gelesen?« Er lächelte sein trauriges Lächeln, das wohl immer ein Teil von ihm bleiben würde, ganz gleich was geschah, auch wenn er nun Alec Kyles Gesicht hatte. »Ich glaube, du hast den Beruf verfehlt, B. J. Du hättest Bonnie, die Zigeunerin, werden sollen!«
»Vielleicht ... stamme ich ja von Zigeunern ab«, entgegnete sie. »Aber mal im Ernst, wie dicht war ich dran?«
»Vielleicht zu dicht! Wer weiß, vielleicht kommst du mir im Augenblick viel zu nah.«
Sie tat erschrocken und wich ein paar Millimeter zurück. »Oh? Du wirst mir doch nichts tun, Harry?«
»Ich hoffe nicht«, erwiderte er, nun völlig ernsthaft. »Und ich hoffe, du bereitest mir auch keine Schwierigkeiten. Ich muss mit dir reden, B. J.!«
Sie wich einen Schritt weiter zurück, diesmal jedoch nicht gespielt – und auch nicht vor Harry, sondern vor dem Mann, der ihn nur einen Augenblick zuvor vom Ende des Tresens aus angesprochen hatte.
Der hatte sein Glas geleert und stieß nun einen Barhocker beiseite, während er auf Harry zuwankte. Auf seinem Gesicht lag ein unangenehmer Ausdruck. Fragend, vorwurfsvoll blickte er B. J. an, aber gemeint war Harry: »Hat dieser Mistkerl dich belästigt, Baby ...?«
Beschützertyp? , dachte Harry. Wohl eher besitzergreifend, sollte man meinen. Als er das hässliche Funkeln in den Augen des Mannes bemerkte, sah er ihn abschätzend an: Mindestens z weihundertzwanzig Pfund. Und jedes Gramm davon ging ihm gewaltig auf den Wecker!
DRITTES KAPITEL
Sergeant!, sagte Harry zu einem guten Freund, der über hundertsechzig Kilometer entfernt auf dem Friedhof von Harden lag. Ich glaube, ich habe hier ein Problem! Sein toter Freund, einst Ausbilder bei der Armee und seinerzeit ein extrem harter Mann, war sofort zur Stelle. Aus Harrys Geist blickte er durch dessen Augen und nahm das Bild auf, das sich ihm in dem Lokal bot. Die Sache ist nur die, fuhr Harry fort, während der Sergeant sich mit der Lage vertraut machte, dass ich nicht zu viel kaputt machen möchte!
Geh vom Tresen weg, Harry!, befahl ihm »Sergeant« Graham Lane. Der Kerl ist schwer und kräftig, aber nicht mehr der Jüngste. Zirka fünfundvierzig? Und sieh dir seinen
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