Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz
Befinden des Gefangenen. Der Nordmann Yskalt, Mörder ihres Schwagers, war zuvor Knecht in der Schmiede gewesen, und Franziskas Tochter Stina hatte sich mit ihm verloben wollen. Etwas verblüfft hörte Alyss dem Turmmeister zu, der sich um eine Antwort zu drücken schien, machte sich aber keine besonderen Gedanken darum. Mit dem letzten Fass auf dem Karren rollten sie dann in den Hof des Gasthauses ein, in dem sich auch die Schmiede befand. Die Esse rauchte, zwei Pferde warteten geduldig darauf, neue Hufeisen zu erhalten, und die beiden starken Söhne
Simons und Franziskas halfen auch sogleich, das Fass in den Vorratsraum zu rollen.
Die Wirtin selbst begrüßte Alyss inzwischen wieder freundlich. Noch im Juli hatte sie außerordentlich erregt darauf reagiert, dass sie, ihr Bruder und John of Lynne ihren Knecht des Mordes angeklagt hatten, doch inzwischen hatte sie eingesehen, dass sie und ihre Familie sich in dem jungen Riesen getäuscht hatten.
»Kommt herein, Frau Alyss, und auch du, Peer. Ein Humpen Bier wird dir sicher zurechtkommen.«zu
Der Handelsknecht nickte, setzte sich aber an einen anderen Tisch zu zwei Fuhrmännern und überließ die Frauen ihrer Unterhaltung in der Küche. Hier fand Alyss auch die Pelzerin vor, die sie aus der Badestube kannte.
»Greta Aldenhoven hat sich ein paar Kittelchen angesehen, die neulich einige Gäste bei uns haben hängen lassen«, erklärte Franziska mit einem Grinsen und wies auf einen Stapel Felle.
»Die sind anschließend ganz nackig aus Eurer Küche gehoppelt, Frau Wirtin?«, fragte Alyss amüsiert.
»Aber ganz und gar nicht. Ich habe ihnen einen hübschen Speckmantel übergezogen.«
»Na, dem hier doch gewiss nicht. Meister Reinecke, dünkt mir, wird auch nach Euren Rezepten gesotten nicht eben schmackhaft werden.«
»Der nicht, der zahlte das Huhn damit, das er zuvor verspeist hatte.«zu
»Ein Fuchs mit drei Schwänzen?« Die Pelzerin lächelte sanft. »Frau Wirtin, da müsst Ihr aber ein seltsames Exemplar gefangen haben.«
»Ja, der Herr schafft wunderliche Tiere. Hier Euer gewürzter Wein, Frau Alyss. Greta sagt, er mundet ihr sehr fein.«
Franziska schenkte die Becher voll.
»Aber nur noch einen kleinen Schluck, Frau Wirtin, denn er steigt auch leicht in den Kopf. Und – sagt, eben war doch Kilian noch hier.«zu
»Euer kleiner Sohn?«, fragte Alyss, an Greta Aldenhoven gewandt.
»Ein süßer Racker!«, schwärmte Franziska und verdrehte verzückt die Augen. »Ein Engelchen mit seinen goldenen Locken und so flink von Witz. Lasst ihn nur, Frau Greta, er wird in den Hof gelaufen sein. Und dort passen die Männer schon auf, dass er nicht zwischen Hammer und Amboss gerät.«zu
»Wie alt ist er jetzt?«, fragte Alyss, die zwar wusste, dass die Pelzerin einen Sohn hatte, und sich vage daran erinnerte, dass er schon auf der Welt gewesen war, als sie mit Terricus schwanger ging. Ein kleiner Stich Trauer schwang in ihren Worten mit.
»Sieben Lenze jung und munter wie ein silbriges Fischchen im Bach. Nur leider hat sich bisher kein weiteres Geschwister eingefunden … Je nun. Aber Frau Wirtin, das bringt mich zu meinem Anliegen. Nicht nur die Kittelchen Eurer langohrigen Gäste haben mich heute zu Euch geführt, sondern tatsächlich auch meine Sorge um Kilian. Mein Niclas und ich müssen nächste Woche aufbrechen, um unsere Pelzwaren zu verkaufen. Wir werden ungefähr einen Monat unterwegs sein und bringen Kilian für die Zeit immer zu meiner Schwester nach Neuss. Aber die steht kurz vor der Niederkunft und kann sich nicht um ihn kümmern. Die Marte am Perlengraben, die ihn auch dann und wann zu sich nimmt, hat sich’s Bein gebrochen.
Und da dachte ich, Frau Franziska – ihr habt doch acht Kinder großgezogen …«
»Hab ich und könnte auch Euren Kilian zum wackeren Jungen päppeln, daran sollte es nicht liegen. Doch fehlen uns ein Knecht und eine Magd, und Ihr wisst, im Herbst kommen die Händler zur Messe, und dann wird es voll im Gasthaus.«zu
»Heiliger Sankt Hubert, daran habe ich gar nicht gedacht. Nein, das kann ich Euch nicht zumuten. Dann muss er wohl bei der Magd bleiben.«zu
Greta Aldenhoven sah überhaupt nicht glücklich aus.
Alyss hatte ihren eigenen Sohn vor drei Jahren durch einen schlimmen Unfall verloren, und seither sehnte sie sich nach einem Kind, das aber – aus verschiedenen Gründen – nicht mehr kommen wollte. Sie vermisste den heiteren Knaben noch immer, und die Wunde in ihrem Herzen schien nicht heilen zu wollen. Die
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