Neid: Thriller (Opcop-Gruppe) (German Edition)
the police!«
*
Sie saßen am Küchentisch. Mander Petulengro verband Sara Svenhagen den Kopf mit den für Blinde typischen Bewegungen, als würde er in einer anderen Welt agieren. Geronnenes Blut verzierte ihre Wangen. Jorge Chavez massierte und bewegte seine Schulter und spürte, wie ein Schmerz ihn durchzuckte.
»Sie hätten sagen sollen, dass Sie von der Polizei sind«, meinte Mander Petulengro.
»Wir wussten doch nicht, wer schon alles hier ist«, erklärte Chavez.
»Ich habe nicht so viele Waffen, um mich zu verteidigen.«
»Tja, man nimmt, was man kriegen kann«, sagte Chavez und betrachtete das Einweckglas vor sich auf dem Tisch. Darin befand sich kein Fötus, wie er angenommen hatte. Es waren eingelegte Gurken. Die Wäscheleine, an der das Glas unter der Decke gehangen hatte, war noch um den Deckel gewunden.
»Konserven, Konserven, Konserven«, sagte Petulengro gequält. »Ich kann keine Konserven mehr sehen.«
»Sie bekommen ein richtiges Festmahl, wenn wir das Handy bekommen.«
Mander Petulengro nickte und reichte Chavez wortlos das Smartphone. »Ich habe aus Versehen den Flugmodus für eine halbe Stunde ausgeschaltet«, erklärte er. »Deswegen dachte ich auch zuerst, dass mich jemand aufgespürt hat und mir an den Kragen will.«
»So ein Mist«, fluchte Chavez und sprang auf. »Wir müssen hier weg. Sofort.«
Sie verließen das Haus. Sara Svenhagen war noch ganz benommen und musste gestützt werden. Es war tatsächlich noch dunkler geworden. Der Pfad durch den Wald war praktisch nicht mehr auszumachen.
Chavez hatte kaum seine Taschenlampe an seinem Schlüsselbund hervorgeholt, als sie einen Motor hörten. Er heulte noch einmal auf, dann wurde es still.
Chavez sah Petulengro an. Auch er hatte den Wagen gehört, vermutlich wesentlich früher als sie. Petulengro packte ihn am Arm und führte sie durch die immer dichter werdende Dunkelheit. Sie gingen an einer alten grünen Pumpe vorbei und kamen zu einer kaum sichtbaren Tür in einem mit Gras bewachsenen Erdhügel. Als sie sie öffneten und in die pechschwarze Dunkelheit eintauchten, schlug ihnen typischer modriger Kellergeruch entgegen.
Chavez spürte, wie Mander Petulengro sich gegen ihn lehnte und flüsterte: »Das ist meine Zeit. Jetzt sehe ich besser als alle anderen.«
»Hast du noch mehrere Fallen aufgebaut?«, flüsterte Chavez zurück.
Aber da war Petulengro schon verschwunden.
Chavez schaltete seine kleine Taschenlampe ein und überprüfte die Tür. Die war fest verschlossen. Dann sah er sich in dem kleinen Erdkeller um – ein Regal mit Konserven neben dem anderen, dazu Unmengen von Gläsern mit löslichem Kaffee von unklarem Haltbarkeitsdatum und ein Kabelsalat, der notdürftig von Kabelbindern gebändigt wurde. Schließlich richtete Chavez die Taschenlampe auf seine Frau.
Sara Svenhagen sah ohne Frage ziemlich mitgenommen aus, und der Eindruck entstand nicht in erster Linie wegen des schiefen Kopfverbandes aus einer Art Segeltuch, sondern vor allem wegen ihrer Gesichtsfarbe. Ihre Blässe wurde durch die dunklen Streifen geronnenen Blutes, die von den Schläfen über die Wangen führten, noch betont. Sie hatte ohne jeden Zweifel eine Gehirnerschütterung.
Chavez streichelte ihr über die Wange und flüsterte: »Bist du in Ordnung?«
»Natürlich bin ich das«, erwiderte sie ebenfalls flüsternd. »Aber hätten wir Mander wirklich allein und unbewaffnet gehen lassen dürfen? Ihn erwartet eine Art Eliteeinheit. Ich habe den einen ja in der KTH gesehen. Das sind knallharte Profis.«
»Er hat recht damit, dass wir die größte Chance haben, wenn wir hier unten bleiben«, entgegnete Chavez. »Wir haben das Handy, wir haben Waffen, und es gibt nur einen Eingang.«
»Wenn sie uns nicht eine Handgranate reinwerfen«, sagte Svenhagen zuversichtlich.
Sie setzten sich auf den Boden, den Blick auf die Tür gerichtet, den Rücken an die Regale gelehnt und die Waffen im Anschlag. Die Zeit verstrich. Draußen war kein Laut zu hören.
Chavez’ Innenleben entsprach nicht seiner soeben vorgetragenen Einsicht. Er saß wie auf heißen Kohlen. Er wollte hinaus, wollte Mander helfen. Schließlich hatte er eine Waffe. Sie hätten Mander auch eine geben sollen. Sie sollten ihm zur Seite stehen, der Gefahr ins Auge sehen.
Immerhin konnten sie sehen ...
Mander Petulengro hatte wirklich ungewöhnlich weiße Augen. Er war blind geboren, wie sah da seine Welt aus? Musik, Laute, Sprache, Gefühle. Er verfügte über eine extrem ausgebildete
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