Neid: Thriller (Opcop-Gruppe) (German Edition)
Verstehen Sie, was ich sage?«
»Das würden Sie niemals tun ...«
»Wollen Sie es darauf ankommen lassen?«
»Nein! Nein, ich habe verstanden. Heißt das, dass die Fotos aus der Welt sind? Kann ich die vergessen?«
»Möglicherweise schon bald«, antwortete Hjelm. »Sie hören von mir.«
Sie ließen den Spindoktor in seinem Büro zurück und sahen auf der Fahrt sogar noch ein bisschen von Brüssel. Später, im Flugzeug, fragte Laima Balodis: »Pressemitteilung?«
»In der Eigenschaft als meine Assistentin hast du die Erlaubnis, sie zu verfassen.«
» Fuck off .«
»Ich finde, deinem Ton mir gegenüber mangelt es an Respekt.«
» Fuck noch mehr off .«
Wenige Stunden später fuhr ein Taxi am Brandenburger Tor vorbei und weiter Unter den Linden. Die Silberlinden blühten dieses Jahr später als sonst, und das Taxi durchströmte ein wunderbarer Duft. Die mächtigen Bäume, die in einer langen Reihe die Paradestraße säumten, leuchteten in strahlendem Weiß. Gegenüber der Humboldt-Universität lag der Bebelplatz, und hinter dem Historischen Museum auf der einen und der Staatsoper auf der anderen Seite gab die Straße den Blick frei auf eine ganz besondere Insel – die Museumsinsel. Früher hatte dort das Berliner Schloss, ein mächtiger Renaissancebau, gestanden, das aber 1945 bei Bombenangriffen schwer zerstört und dann 1950 gesprengt wurde, um Raum für einen großen offenen Platz zu schaffen. Der damalige stellvertretende Vorsitzende im Ministerrat der DDR, Walter Ulbricht, träumte von einem Paradeplatz für beeindruckende Aufmärsche. Dreihundert Jahre Geschichte gingen in einer gewaltigen und sehr symbolischen Rauchwolke auf. Als einziges Relikt blieb der etwas verloren wirkende Lustgarten vor den großen Museen und dem geistlichen Kontrapunkt zum Schloss, dem Berliner Dom, der 1905 eröffnet wurde.
Das Taxi fuhr an Sonnenanbetern vorbei, die auf der Rasenfläche des Lustgartens wie abgestürzte Möwen lagen, und hielt vor dem Eingangsportal der Kirche. Paul Hjelm und Laima Balodis stiegen aus und gingen die Treppe hoch. Als sie die ersten Schritte in das Gotteshaus machten, erfüllten im Wechsel zwischen lang gehaltenen Tönen und schnellen Tonfolgen abwärts führende Oktaven den mächtigen protestantischen Kirchenraum.
Hjelm und Balodis blieben wie erstarrt stehen. Dann setzte auf dem Orgelpunkt des Grundtons eine dunkle, tiefe Akkordbrechung ein, die von der Ewigkeit Gottes oder zumindest seines Stellvertreters kündete. Der enorme Resonanzkörper des Berliner Doms wurde erfüllt von Johann Sebastian Bachs bekanntestem Orgelwerk, der Toccata und Fuge in d-Moll . Mit Verklingen der letzten Töne hatten die beiden Polizisten die Empore erreicht und standen tief bewegt vor dem Organisten.
»Phantastisch«, stieß Hjelm hervor.
»Vielen Dank«, erwiderte der magere Mann überrascht und schob seine Brille auf die Stirn. »Ich übe nur ein bisschen.«
»Mir war Bach immer zu blasphemisch«, sagte Hjelm.
»Weil er Gott überstrahlt?«, der Organist lachte. »Tief in seinem Inneren wusste das fromme Lamm davon. Allerdings ist gerade diese Toccata und Fuge , BWV 565, immer wieder in den Verdacht geraten, wesentlich später verfasst worden zu sein. Meiner Meinung nach kann sie aber nur von Bach stammen.«
»Ein unglaublicher Klang, diese Orgel.«
»Eine Sauer-Orgel von 1905, Deutschlands größte pneumatisch gesteuerte Orgel aus der Spätromantik.« Liebevoll strich der Organist über die Klaviatur.
»Was ist mit dem Foto geschehen?«
»Foto?«
»Von Marianne Barrière, Westberlin 1985.«
Der Organist zog seine Hand zurück und nickte, lange und langsam. Zwischen seinen Augenbrauen hatte sich eine steile Falte gebildet.
»Wenn Sie gekommen sind, um mich zu töten, dann will ich vorher noch eine Fuge spielen«, sagte er dann.
»Welche denn?«, fragte Hjelm neugierig.
»Die Fuge in a-Moll , glaube ich«, lautete die Antwort, und der Organist legte die Hände auf die Tasten.
»Wir sind von der Polizei«, sagte Paul Hjelm und hielt dem Mann seinen gefälschten Dienstausweis hin. Laima Balodis tat es ihm nach.
»Karlsson und Abromaite, von der schwedischen respektive litauischen Polizei, die sich mit der Erpressung einer französischen EU-Kommissarin beschäftigen? Tja, das klingt logisch und naheliegend ...«
»Beantworten Sie bitte einfach nur meine Frage.«
»Es tut mir leid«, entgegnete der Organist stur. »Aber ich weiß nicht, für wen Sie arbeiten.«
»Sie sind Ignatius Dünnes,
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