Neid: Thriller (Opcop-Gruppe) (German Edition)
schweigend da und sahen die letzten Streifen des Sonnenlichts im verzauberten Wasser des Sees verschwinden. Es war unfassbar schön.
Sie umarmten einander und blieben so sitzen, bis die Dunkelheit sie umschloss. Sie hatten seltsamerweise beide das Gefühl, dass dies ihr Platz war.
»Lies den letzten Eintrag noch vor«, bat Sara Svenhagen.
Dänisches Tagebuch 4
Stockholm, 30. Juni
Morgendämmerung über Liljeholmsviken. Morgendämmerung an einem Tag, der nicht werden wird wie die anderen. Es ist ein besonderer Tag, das kann ich spüren.
Das nächtliche Telefonat hallt noch in mir nach. Ich habe hinterher mein Handy ausgeschaltet, aber ich konnte das Gespräch aufzeichnen. Die Genauigkeit der Erinnerung:
»Was werden Sie also tun, wenn die nächsten positiven Testergebnisse eintreffen?«
»Jubeln. Den Prozess beenden. Das Ziel erreichen. Hoffentlich.«
»Wenn Sie das tun, Professor, werden Sie mit Sicherheit sterben.«
»Wenn ich es nicht tue, dann werden weitaus wichtigere Dinge sterben.«
Dass ich das wirklich gesagt habe. »Wenn ich es nicht tue, dann werden weitaus wichtigere Dinge sterben.«
Ich bin eigentlich nicht besonders schlagfertig. Ich bin ein Mensch, der nachdenkt, bevor er spricht. Aber dieses eine Mal ist es mir gelungen. Und das saß.
»Ich bin noch nie vom Weg der Wahrheit abgewichen und habe auch für die Zukunft nicht vor, es zu tun.«
Mir ist klar, dass ich einen sehr guten Plan brauche. Aber die Bauarbeiten an der U-Bahn-Station erschweren mein Vorhaben erheblich. Außerdem weiß ich nicht, wie ernst ich diese Drohung nehmen soll. War es wirklich der rücksichtslose Wissenschaftsjournalist aus Chicago, den ich da gestern hier um die Ecke in der Bergsunds strand gesehen habe? Oder habe ich das alles nur geträumt? War das eine Art Tagtraum von einem gefallenen Engel, einem schrecklichen Engel? Das Licht ist zurückgekehrt und mit ihm die Vernunft. Die natürliche Helligkeit der Vernunft. Heute herrscht wieder ein besseres chemisches Gleichgewicht in meinem Gehirn. Ich muss mir ein Bankschließfach mieten. Kann man dort schon so früh am Morgen anrufen?
Sollte das mein Todestag sein, muss ich vorher alles auf dem Handy abspeichern und es in dem Bankschließfach sicher deponieren. Das Wichtigste aber ist die Formel.
Mein Drittel der Formel.
Ebeltoft, die Stadt meiner Kindheit. Die schönste Stadt Dänemarks. Dünen, Segelboote, das lange Rasenstück vor Großvaters Sommerhaus, das bis hinunter zum Meer reichte. Das Glücksgefühl auf dieser kurzen Strecke, die Erinnerung an das Gras unter den nackten Füßen, dann der Sand, dann das Meer.
Das Haus hat jetzt einen neuen Besitzer. Mir tat es weh zu sehen, dass sich mein altes Kinderzimmer in eine Playstation-Bude verwandelt hat. Aber ich habe gute Miene zum bösen Spiel gemacht. Bin durch das Haus gelaufen, habe mir alles zeigen lassen, als würde ich nicht jeden Quadratzentimeter besser kennen, als es die neuen Besitzer je tun werden. Sie haben mir die Waschküche gezeigt, die Werkstatt und den Wintergarten. Ich nickte freundlich und sah hoffentlich wehmütig aus.
Sie hatten den alten Außenbordmotor behalten, im Tischlerschuppen. Aber das war auch das Einzige. Großvaters Außenbordmotor, der nun zum Komplizen wurde. Zu einem Aufbewahrungsort.
Das letzte Testergebnis müsste jeden Tag eintreffen. Du wirst es auch erhalten, Virpi, als SMS auf das inoffizielle Handy. Zum ersten Mal ist das kein Risiko.
Ich finde es durchaus angebracht, ein paar Abschiedsworte zu schreiben, falls es doch zum Äußersten kommen sollte.
Ich, Niels Sørensen, habe kein vielseitiges Leben geführt. Ich habe früh erkannt, dass die Wissenschaft auf einem sehr hohen Niveau angelangt ist und man ihr sein Leben verschreiben muss, wenn man es zu etwas bringen will. Es ist richtig, dass wir vorwiegend in Teams arbeiten, die Zeiten der einsamen Denker sind vorbei, aber dennoch ist und bleibt das Denken das Ausschlaggebende. Um sich dem ernsthaft hinzugeben, erfordert es Opfer. In meinem Fall habe ich meine Freunde geopfert, ja sogar meine Familie, um der Beste auf meinem Gebiet zu werden. Um an Grenzen zu gelangen, die noch niemand zuvor überschritten hat. Es gibt nicht mehr viele in den westlichen Ländern, die so denken. Die anderen wollen ein vollkommenes, abwechslungsreiches Leben führen, und vor allem wollen sie es zeigen. Sie wollen ihr Leben vorzeigen, es soll bewundert werden. Sie haben keine wahren Ziele mehr, weder in der spirituellen noch in der intellektuellen
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