Neid: Thriller (Opcop-Gruppe) (German Edition)
Sensibilität, die ihm laut Janne das Leben gerettet hatte, während des Jugoslawienkrieges in den Balkanländern. Er hatte überlebt, das schon, aber er war auch noch nie mit westlichen Söldnern konfrontiert worden, die mit Elektroschockpistolen und einer Hightechausrüstung ausgestattet waren. Wahrscheinlich sahen sie mit ihren Nachtsichtgeräten und Wärmedetektoren im Dunkeln genauso gut wie er.
Auf der anderen Seite gingen sie davon aus, dass er allein auf dem Grundstück war. Sie würden nicht nach weiteren Bewohnern suchen. Allerdings würden sie definitiv das Handy suchen. Und sie würden auf jeden Fall den Erdkeller finden. Früher oder später würden sie also kommen. Und dann würde ganz bestimmt jemand ums Leben kommen.
»Lies vor«, flüsterte Sara. »Wir müssen uns ablenken.«
»Vorlesen?«
»Ja, lies aus dem Tagebuch vor. Du kannst es aus dem Dänischen übersetzen. Du hattest doch mal so eine fischige dänische Freundin.«
Chavez sah ein, dass dies das Beste war, was sie im Moment tun konnten. Sich die Wartezeit auf den Tod zu vertreiben. Also las Jorge Chavez vor.
Es gab insgesamt nur vier Tagebucheinträge, und keiner war besonders lang. Sie erfuhren von einer Konferenz in Chicago, von einem rücksichtslosen Wissenschaftsjournalisten, von neuen wissenschaftlichen Errungenschaften, von plötzlich auftauchenden Gefahren, von Testergebnissen, auf die gewartet wurde, von der Schaltzentrale hinter Virpi Pasanens Büro, in der sich so Bedeutsames ereignet hatte, von dem Kontakt zu einer EU-Kommissarin namens Marianne Barrière, von einem Todesengel mit schwarzen Flügeln auf der Liljeholmsbron und davon, dass Niels Sørensen die wichtigsten Dokumente auf seinem Handy gespeichert hatte.
Chavez hatte drei der vier Einträge vorgelesen, als Sara Svenhagen plötzlich wisperte: »Kannst du das Rilkezitat bitte noch mal wiederholen?«
»Warum?«
»Ich weiß nicht. Weil es so schön ist ...?«
Jorge Chavez musste unweigerlich lächeln. Und wiederholte die Zeilen: »›Denn das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang, den wir noch grade ertragen, und wir bewundern es so, weil es gelassen verschmäht, uns zu zerstören. Ein jeder Engel ist schrecklich.‹«
Da kratzte es an der Tür des Erdkellers.
Jeder Engel ist schrecklich, dachte Chavez, schob das Handy in die Hosentasche und zielte auf die Tür. Svenhagen hatte die Pistole bereits im Anschlag. Im Schein der Taschenlampe war gut zu sehen, dass beide Läufe zitterten.
Dann herrschte absolute Stille. Kein einziger Laut war zu hören. Dort draußen könnte alles Mögliche vor sich gehen. Um einen Vernichtungsschlag vorzubereiten.
Eine unerträglich lange Minute verstrich. Der Lichtkegel der Taschenlampe fing an zu flackern, ihre Strahlkraft war dem Untergang geweiht. Ein Engel ging durch den Erdkeller.
Ein Engel mit schwarzen Flügeln.
Dann wurde die Tür geöffnet.
Das Erste, was sie sahen, waren zwei wie von selbst leuchtende weiße Augen. Dann hörten sie Mander Petulengro sagen: »Meine beste Waffe ist, dass die Menschen mich unterschätzen.«
Sie lagen direkt vor der Tür. Zwei große, stattliche schwarz gekleidete Männer mit Sturmhauben. Neben ihnen lagen ein paar zerbrochene Einweckgläser, die einst eingelegte Gurken beherbergt hatten.
»Konserven, Konserven, Konserven«, sagte Mander Petulengro.
Chavez stand auf und half seiner Frau auf die Beine. Die letzten Zuckungen seiner Taschenlampe nutzte er, um den Kabelsalat zu inspizieren. Kabelbinder. Es gab noch genug unbenutzte. Er nahm sie mit nach draußen. Auf dem Weg erlosch die Taschenlampe.
Dafür aber besaß einer der niedergestreckten Männer eine kraftvolle Stablampe, die Chavez an sich nahm, und mithilfe seiner Frau fesselte er die beiden Söldner mit den Kabelbindern an Händen und Füßen, Armen und Beinen. Sie würden sich niemals allein befreien können.
Dann drehte er sich um, er wollte sich bei Mander Petulengro bedanken.
Aber der war weg.
Er war nirgendwo zu sehen. Verschwunden. Wie ein Engel.
Sara und Jorge suchten nach ihm, begriffen aber bald, dass es sinnlos war. Mander Petulengro hatte seinen Auftrag erfüllt. Danach hatte er sich in Luft aufgelöst.
Nachts sah er besser als jeder andere.
Sara und Jorge setzten sich auf einen Stein und betrachteten die beiden zur Strecke gebrachten Söldner.
»Du bist dran, Benno anzurufen«, sagte Sara Svenhagen schließlich.
Chavez kicherte, aber er biss in den sauren Apfel.
Danach saßen sie eine Weile
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