Neid: Thriller (Opcop-Gruppe) (German Edition)
waren deine Worte, Laurent, deine Worte.«
»Ich weiß«, sagte Laurent Gatien. »Irgendwo gab es eine undichte Stelle.«
»Und du musst jetzt eine Lösung finden, statt hier herumzujammern.«
Gatien seufzte. »Ich werde versuchen, das Foto aus der Welt zu schaffen. Aber du, Marianne, musst dafür sorgen, dass die Forscher die Arbeit zu Ende bringen. Dafür kann ich leider nichts tun.«
Marianne Barrière war so unendlich müde, sie fühlte sich von der Zeit überrannt. Plötzlich forderte das extrem hohe Tempo, in dem sie die letzten Jahrzehnte gelebt hatte, seinen Tribut. Als hätte sie ihren Alterungsprozess zehn Jahre lang aufgehalten, und diese zehn Jahre setzten sich ausgerechnet jetzt auf ihre Schultern. Sie schloss die Augen.
Veränderung. Tatsächliche Veränderung herbeiführen, anstatt nur zu verwalten. Das war so unendlich viel schwerer. Es war so unendlich viel schwerer, eine Vision zu haben, als darauf zu verzichten. Wenn die Verführung zu groß wurde, ein Leben als Beamtin zu führen – in aller Ruhe, mit langen Mittagspausen, ohne Magenschmerzen erzeugendes Pathos, mit Urlaub, Freizeit, einem kleinen Landhaus in der Provence und entspannten Geschäftsreisen nach Berlin –, genügte ihr zum Glück noch der Anblick eines Bettlers in der Innenstadt, um nicht nur zu erkennen, wie privilegiert sie war, sondern auch, wie viel Macht sie tatsächlich besaß. Wenn sie nichts unternahm, wer sollte es dann tun?
Und in Brüssel, der Hauptstadt der gut verdienenden Politiker, gab es reichlich Bettler. Reichlich Augenblicke der Rückbesinnung.
»Marianne?«, sagte Laurent Gatien vorsichtig.
Sie öffnete die Augen. »Ich werde mich mit Virpi in Verbindung setzen. Aber wie willst du dieses Foto aus der Welt schaffen?«
»Zuerst bekommst du das hier«, sagte Gatien und reichte ihr ein Handy, das mit ihrem identisch schien. »Das ist ein Klon von deinem Handy, nur ohne Foto. Und ich benötige dein altes und alle Informationen, die du mir geben kannst.«
Barrière gab ihm ihr bisheriges Handy und sagte: »Kein Absender, kein Kommentar, nichts. Nur das Foto.«
»Eine hocheffektive Drohung«, stellte Gatien fest. »Wer hat das Foto gemacht, und wer könnte es haben?«
»Ich weiß es nicht.«
»Was an sich ja auch eine Information ist.«
»Die da wäre?«
Der Spindoktor seufzte auf und ließ sich neben Marianne auf dem Sofa nieder.
»Meine Leute arbeiten nach dem Need-to-know-Prinzip, wie du weißt. Sie erhalten nur so viele Informationen, wie sie benötigen, obwohl ich mich auf alle hundertprozentig verlassen kann. Aber ich selbst muss alles wissen, Marianne. Nur wir beide kennen alle Details.«
»Das war eine wilde Zeit. Ich habe den Sex spät für mich entdeckt – die politisch engagierte Musterstudentin –, obwohl, eigentlich war das genau im richtigen Alter. Ich habe mir so die traurigen Teenagererfahrungen erspart, und mir hat es gefallen. Natürlich war es auch gefährlich, vor allem für eine Frau, Anfang der Achtzigerjahre, aber in der richtigen Gesellschaft war es einfach nur wunderbar.«
Laurent Gatien nahm ihre Hand und fragte: »Mit Gesellschaft meinst du also eine Art … Gruppe?«
»Nenn es, wie du willst«, sagte Barrière und befreite ihre Hand aus der seinen.
»Du musst eine Liste all derer erstellen, die bei dieser Gruppe dabei waren. Hast du wirklich keine Idee, wo das Foto gemacht wurde?«
Marianne Barrière riss ihr altes Handy an sich und schimpfte: »Berlusconi, Putin und all die anderen machtgeilen Säcke können mit minderjährigen Prostituierten machen, was sie wollen. Dafür gibt es sogar noch Anerkennung, nach dem Motto: super Job. Diese Welt ist doch krank.«
Sie sah sich die Aufnahme genauer an, was sie bisher vermieden hatte.
»Ich glaube, das war in Berlin«, stellte sie fest und warf Gatien das Handy in den Schoß.
»Berlin?«, wiederholte er.
»Ja.«
»West- oder Ostberlin? Das war vor dem Fall der Mauer, vermute ich?«
»Ja. Westberlin.«
»Wenigstens vermeiden wir so eventuelle politische Komplikationen«, seufzte der Spindoktor. »Bist du viel herumgereist?«
»Nur Berlin und Paris«, antwortete Marianne Barrière.
»Kann ich daraus schließen, dass in eurer Gruppe nur Franzosen und Deutsche waren?«
»Hauptsächlich.«
»Ich habe einen, ähem, schwarzen Mann auf dem Foto gesehen ...«
»Amerikaner waren auch mit dabei.«
»Verdammt!«, rief Gatien aus und sprang vom Sofa hoch. »Was ist das denn für ein Fickkongress gewesen?«
Marianne
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