Neid: Thriller (Opcop-Gruppe) (German Edition)
man das nennen.«
»Ich finde, du bist gerade ein bisschen unkonzentriert.«
»Und wie würdest du das hier nennen?«
»Genuss?«
»Sprich ruhig weiter.«
»Fällt mir gerade ein bisschen schwer. Aber ich bin hier eindeutig Opfer einer Erpressung! Und genau das habe ich auch gedacht, als mir klar wurde, dass die EU-Kommissarin, eine der höchsten Politikerinnen Europas, erpresst wird. Ich habe mit Marianne Kontakt aufgenommen und begriffen ... ah ...«
»Begriffen ...?«
»... dass ... ah ...«
»Konzentrier dich! Dass?«
»Dass sie Opfer eines Komplotts ist. Aber sie wollte nicht darüber reden, weil die Situation zu dem Zeitpunkt sehr angespannt war. Der Gesetzesentwurf, erinnerst du dich daran?«
»Natürlich erinnere ich mich.«
»Ich bin der Sache nachgegangen. Habe eine Spur gefunden und bin ihr gefolgt.«
»Ihr gefolgt?«
»Nicht aufhören. Ihr gefolgt, ja. Die Spur führte nach Griechenland. Ich benötigte inoffizielle Hilfe.«
»Ich glaube es ja wohl nicht.«
»Nicht aufhören, bitte ...«
»Ist das dein Ernst?«
»Er hat zugesagt, und die Sache dürfte nicht allzu kompliziert sein. Er muss nur einem Mann drei Fotoabzüge abnehmen. Aua!«
»Gunnar Nyberg hat seit Jahren keinen Einsatz mehr gehabt und insgesamt auch nur einen einzigen außerhalb Schwedens, und das mit fatalen Folgen. In welches Inferno hast du ihn jetzt geschickt?«
»Nicht so wild ...! Das ist kein Inferno. Außerdem ist es Gunnar, Kerstin. Du kennst ihn doch.«
»Ich weiß, wie gut er war. Aber er ist alt geworden. Du schickst einen Rentner in die Hölle. Was hast du dir dabei gedacht?«
»Ich sage jetzt lieber nichts über Liang Zunrong ...«
»Nein, das ist auch besser so.«
»Aua! Ich brauchte einen qualifizierten Ermittler vor Ort, ohne erst eine Polizeidirektion oder Sicherheitsfirma einweihen zu müssen. Das kannst du doch verstehen?«
»Ich nehme an, dass du ihm Geld aus dem EU-Topf angeboten hast?«
»Kann schon sein.«
»Hm.«
»Die Welt ist komplizierter geworden. Es wird immer schwerer zu entscheiden, was am besten ist. Oder besser gesagt, was das geringste Übel ist. Die Schwarz-Weiß-Moral greift leider nicht mehr. Und das gilt auch für chinesische Kinder, Kerstin. Es tut mir leid, aber so ist es nun einmal.«
»Ich weiß. Warum glaubst du, dass ich nicht aufgebe?«
»Weil heute ein neuer Tag ist, und dort draußen warten neue Ungerechtigkeiten auf uns. Das Leben geht weiter.«
»Für Liang Zunrong aber nicht«, sagte Kerstin Holm und biss sich auf die Lippen.
Arto Söderstedt fuhr abrupt aus dem Schlaf hoch. Das Bett neben ihm war leer. Ohne auf die Uhr zu sehen, stolperte er in den Flur und warf einen Blick ins Bad. Dann wankte er weiter in die Küche, ließ sich auf einen Stuhl fallen und erkannte, dass er allein in der Wohnung war.
Das war an und für sich nichts Bemerkenswertes, angesichts der Uhrzeit. Es war acht Uhr, seine Tochter musste zur Schule, und da es Dienstag war, hatte Anja sie auf dem Weg zu ihrem Yogakurs begleitet. In der internationalen Schule waren noch keine Sommerferien.
Verflucht, schon acht Uhr!
Söderstedt wollte als Frühstück nur rasch einen Schluck Joghurt aus der Flasche nehmen, verschüttete ihn aber auf dem Flur. Als er in sein gutes altes Meisterstück sprang, den Toyota Picnic, den er seit einem unvergesslichen Sommer um die Jahrtausendwende besaß, war er sich nicht einmal sicher, ob er sich eine Hose angezogen hatte. Er fuhr los – die Autoschlüssel hatte er zumindest dabei. Aber er hatte definitiv vergessen, die Kontaktlinsen einzusetzen, und während er in der Tasche nach seiner Brille wühlte, bildete sich vor ihm ein Totalstau.
Was für eine Erleichterung.
Er schob sich die uralte Brille auf die Nase, die allerdings nur die Sicht eines Vierundzwanzigjährigen korrigierte, und nutzte den Stillstand, um an sich herunterzublicken. Eine Hose trug er jedenfalls, wenn es sich dabei auch um ein Exemplar seiner Ehefrau Anja handelte, das ihm viel zu eng und viel zu kurz war. Jetzt konnte er sich konzentrieren.
Kommunikation. Kommunizierende Röhren. Alles, was zusammenhängt, gehört auch zusammen.
Nein. Nein, es war unmöglich, dass diese Heinis in der Wohnung in Amsterdam nicht kommunizierten. Sie hatten lediglich eine Kommunikationsform gewählt, die von der Opcop-Gruppe noch nicht entdeckt worden war. Sie wussten, falls sie observiert werden würden – und das würden sie in jedem Fall erst zu spät bemerken –, würden alle
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