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Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - Ironside, V: Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - The Virginia Monologues

Titel: Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - Ironside, V: Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - The Virginia Monologues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Ironside
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für die großen Zusammenhänge. Langsam begreifen wir, dass das Leben ein langes Kontinuum ist und nicht eine A neinanderreihung einzelner Ereignisse, die von Perioden des Schlafs lose zusammengehalten werden.
    Mein Panorama reicht zurück bis zu meiner Urgroßmutter, die ich als Kind noch kennen gelernt habe (auch auf die Gefahr hin, Sie zu langweilen– siehe entsprechendes Kapitel. A ber ich bin nun mal alt, und ich langweile gern). Sie lebte mit ihrer Gesellschafterin in einem Hotel in der Gloucester Road und trug, soweit ich mich erinnere, immer einen langen schwarzen Rock, ein schwarzes Jäckchen und eine hochgeschlossene weiße Bluse. Dazu einen schwarzen Hut mit Schleier und einen silberbeschlagenen Spazierstock. Sie sah aus wie eine Illustration aus einem Buch von Charles Dickens.
    Ich kann mich an Zeiten erinnern, in denen fast niemand ein eigenes A uto hatte, als es noch kein Fernsehen gab und die Geschäfte sonntags geschlossen hatten. E-Mail, SMS und Handy waren unbekannt. W as meine Generation an V eränderungen erlebt hat, übersteigt das, was ein heute Dreißigjähriger noch an V eränderungen erleben wird, bei weitem, da bin ich mir sicher. Eigentlich ist es beinahe schon erstaunlich, dass wir bei alledem nicht den V erstand verloren haben (nun ja, nicht ganz).
    Je älter man wird, desto klarer wird einem, dass die W elt nicht mit einem selbst beginnt und endet. Man begreift sich zunehmend als Teil eines Zyklus– und diese Erkenntnis beeinflusst unser restliches Leben durchgreifend. A ls ich mir meine erste Katze anschaffte, habe ich sie natürlich nicht als meine erste Katze betrachtet, sondern einfach nur als meine Katze. A ber nachdem ich in meinem Leben schon so viele Katzen gehabt habe, ist mir klar, dass auch wir nicht anders sind als Katzen– wir leben nur länger.
    Eine Freundin erzählte mir, dass sie, mit ihrem Enkelkind auf dem Schoß, von ihren eigenen Kindern fotografiert worden sei, und meinte, ihr komme es vor wie gestern, als sie selbst auf dem Schoß ihrer Großmutter gesessen hatte und von ihren Eltern fotografiert worden war.
    Das Leben geht weiter– das ist ein fast gnadenloser Satz. Er wurde mir vor kurzem besonders deutlich, als ich– nach zehn Jahren– einmal wieder ein A l-Anon-Treffen besuchte (das ist der Zweig der A nonymen A lkoholiker, der für die A ngehörigen von A lkoholikern vorgesehen ist, mit einem eigenen » Zwölf-Schritte-Programm«). Etwa vier Jahre lang hatte ich mich intensiv in genau dieser Gruppe engagiert, ich war Schatzmeisterin gewesen, Sekretärin, hatte Treffen geleitet. Irgendwie erwartete ich, als altes Mitglied mit offenen A rmen empfangen zu werden. Ich stieg dasselbe alte Treppenhaus hinauf, in dem es immer noch nach Kohl roch, betrat dasselbe alte Zimmer, wo dieselben alten Stühle standen– aber der Raum war voller Fremder! Man begrüßte mich warmherzig als Neuankömmling, und es war nicht leicht, den Leuten begreiflich zu machen, dass ich ein alter A l-Anon-Hase war, der diese Gruppe früher eine ganze Zeitlang geleitet hatte. Man hatte mich vergessen . Mittlerweile war keiner meiner alten W eggefährten mehr da, der sich an mich hätte erinnern können. Und all diese Leute, die jetzt dieselben Posten ausfüllten, die ich früher innegehabt hatte, würden eines Tages auch vergessen sein, genau wie ich. Das stimmte mich ganz schön nachdenklich.
    Sobald wir begreifen, dass wir nur ein einzelnes Glied in dieser fortlaufenden Kette der Menschheit sind, begreifen wir auch, dass » die Zukunft« nicht bedeutet, wie viele Jahre uns noch verbleiben, sondern dass diese » Zukunft« die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder ist. (Widerspreche ich damit meinen früheren Äußerungen über die globale Erwärmung und allem, was damit einhergeht? Ja. A ber das ist nun mal das V orrecht des A lters, und ich bin nun mal ein Oldie. Ich darf das.) Es gab einen Moment, da plante ich, mein restliches Geld bis zu meinem Tod auf den Kopf zu hauen. Doch jetzt erkenne ich, dass ich nur noch deshalb arbeite (obwohl ich es finanziell gar nicht mehr nötig hätte), um meinem Sohn und seiner Familie nach meinem Tod ein gutes Leben zu ermöglichen. W enn man mich heute fragt, wie viel ich für einen V ortrag oder einen Zeitungsartikel verlange, denke ich , anstatt wie früher einfach dankbar zu sein, dass man überhaupt noch was von mir will:Nein, dieses Geld könnte einem Enkel helfen, eine A nzahlung für seine erste W ohnung zu leisten. Oder: Dieses Geld

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