Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - Ironside, V: Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - The Virginia Monologues
haben wir alle das eigenartige Gefühl, gleichzeitig jung, fast kindlich jung, und andererseits fürchterlich alt zu sein. W ir sind wie diese 3- D-Postkarten, die es in Griechenland an allen Straßenecken zu kaufen gibt: Wenn man sie von links betrachtet, sieht man ein prächtiges Pantheon, mit Säulen und Statuen und aufwendigen V erzierungen. W enn man dagegen von schräg rechts draufschaut, sieht man die eigentliche Ruine.
Die Perspektive der anderen Menschen macht es einem bei der Selbsteinschätzung auch nicht gerade leichter. Meiner Erfahrung nach betrachten einen junge Leute als alt, die wirklich A lten dagegen halten uns Übersechzigjährige für jugendliche Hüpfer. A ls ich einigen Siebzigjährigen den Titel dieses Buchs verriet, begannen sie zu kichern und sagten: » Aber Liebes! Du hast doch noch überhaupt keine A hnung vom A ltsein!«
Auch das Phänomen Zeit wird mit jedem verstreichenden Jahr verwirrender. Jean Rhys sagte: » Man altert selten schnell und fließend, vielmehr in einer Reihe von Zuckungen und Sprüngen.« Zu dem ganzen Gezappel, möchte ich hinzufügen, gehören allerdings auch Rückwärtssprünge (und Saltos). Im Übrigen glaube ich, dass mit » alt« weniger der zeitliche A bstand gemeint ist, den wir vom Tag unserer Geburt bis zum heutigen Tag zurückgelegt haben, sondern vielmehr, wie nahe wir dem Ende bereits gerückt sind.
Für mich ist man dann alt, wenn man den Sitzgurt in einem fremden A uto nicht mehr ohne großes Herumfummeln anlegen kann und sich beim A ussteigen ächzend am Türrahmen festhält. V or allem ist man in meinen A ugen alt, wenn man sich heimlich einen zusammenschiebbaren Spazierstock zulegt und in seiner Handtasche mit sich herumträgt– » nur für den Fall«. Oder wenn man in Nachthemd und W intermantel zum Zeitschriftenladen um die Ecke schlurft, weil die Zeitung mal wieder nicht geliefert wurde.
In Deutschland scheint man ganz genau zu wissen, wann man offiziell als » alt« gilt. Es gibt dort in Restaurants verschiedene Menükategorien. Erwachsene kriegen ein normales Menü, Kinder einen sogenannten » Kinderteller«. Und alte Menschen können sich den Seniorenteller bestellen. Ich kann mir gut vorstellen, wie der aussieht: winzige Portionen. W eiches, matschiges Essen. W enn man in einer einschlägigen Lokalität ein saftiges Steak mit knackigem Gemüse bestellen will, kriegt man zweifellos die A ntwort: » Bedaure, aber dafür sind Sie zu alt.«
Soll man’s verraten?
Wenn jemand Sie nach Ihrem A lter fragen sollte, können Sie es natürlich machen wie Cary Grant und elegant ausweichen. A ls sein A gent ein Telegramm erhielt, auf dem stand: » How old Cary Grant? – W ie alt Cary Grant?«, kabelte er zurück: » Old Cary Grant fine. How you? – Dem alten Cary geht’s gut. Und Ihnen?«
Oder Sie könnten seufzend sagen: » Ich will’s mal so ausdrücken: Ich werde nicht noch einmal sechzig.«
Ich selbst mache kein Geheimnis aus meinem A lter. Es wäre mir zu peinlich, wenn die Leute hinter meinem Rücken doch irgendwie auf mein wahres A lter kämen. Da verrate ich es lieber gleich selbst. Hier also ganz offiziell, wenn es Sie interessiert, mein Geburtsdatum: 3 . Februar 1944 . Nicht früher und nicht später. Ist alles im Geburtsregister des Somerset House erfasst (oder mittlerweile wahrscheinlich in einer gigantischen Online-Datenbank, auf die jeder, der das Passwort rauskriegt, Zugriff hat).
Wie bezeichnen wir uns selbst?
Ich selbst bezeichne mich am liebsten als » alt«. A ber natürlich kann man auch das charmant-moderne » Oldie« verwenden oder die weniger charmante Bezeichnung » Mumie«. W enn ich bei einem Kino oder Theater anrufe, um Tickets reservieren zu lassen, frage ich manchmal nach, ob es Ermäßigungen gibt. Und wenn die Person am anderen Ende der Leitung dann fragt: » Welche Ermäßigung wollen Sie denn?«, weiß ich nie genau, ob ich » Senior« sagen soll oder, wie es bei uns heißt, Old A ge Pensioner. Gewöhnlich antworte ich: » Ich bin einfach nur schrecklich alt, Liebes.«
Ich habe schon überlegt, ob ich mich als New A ge Pensioner bezeichnen soll, aber dabei denkt man sofort an langes, dünnes, graues Haar und faltige Handgelenke, an denen kupferne A nti-Arthritis-Armreifen und zerfranste farbige Freundschaftsbändchen prangen.
Wir könnten uns als » ältlich« bezeichnen oder als » Rentner«, ich persönlich jedoch mag die Bezeichnung » über den Berg«. W arum? W eil man dann eine viel bessere A ussicht
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