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Nekropole (German Edition)

Nekropole (German Edition)

Titel: Nekropole (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Willensstärke aufbieten, um nicht das zu tun, wonach alles in ihm schrie – nämlich die Zähne in dieses Stück faulige Fleisch zu schlagen und es gierig herunterzuschlingen.
    Irgendwie gelang es ihm, dieses düsteren Verlangens Herr zu werden und den entsetzlichen Kadaver wegzustoßen. Hastig sprang er auf die Füße und lief die wenigen Schritte zu Hasan und den anderen zurück, um ihnen beizustehen.
    Er kam gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie Abu Dun eines der toten Tiere in seiner Eisenfaust zerquetschte und Ali ein weiteres mit einem Schlag mit der flachen Hand erledigte. Damit war der Kampf vorüber.
    Ihr zusammengeschmolzenes Häufchen bot, wie er feststellte, einen reichlich bizarren Anblick: Das halbe Dutzend Assassinen hatte sich zu einem Kreis um Hasan formiert, und genau wie Abu Dun und Ali hatten sie allesamt ihre Schwerter fallen gelassen und die winzigen Angreifer mit bloßen Händen oder den heimtückischen Dornenhandschuhen abgewehrt, die sie plötzlich alle wieder trugen. Andrej fragte sich unwillkürlich, ob das auch gerade schon so gewesen war, und musste sich eingestehen, es nicht zu wissen. Das war beunruhigend.
    »Wie schön, dass sich der barmherzige Samariter der Katzen auch schon zu uns gesellt«, begrüßte ihn Abu Dun übellaunig. »Wir hätten dir gern etwas übrig gelassen, aber uns ist leider der Nachschub ausgegangen.«
    Andrej steckte sein Schwert ein und ließ sich dann neben einem weiteren toten Tier in die Hocke sinken, eines von Dutzenden, die verstümmelt, mit zerbrochenem Rückgrat oder zertrümmertem Schädel wie die Opfer einer gescheiterten Belagerung im Gras lagen. Manche von ihnen regten sich noch, wie das Tier, dem er sich nun zuwandte, aber das Feuer in ihnen erlosch rasch.
    »Erinnerst du dich an den toten Matrosen am Strand?«, fragte er, ohne zu Hasan aufzublicken. Er spürte sein Nicken, doch es war Ali, der in höhnischem Ton antwortete: »Da waren sehr viele tote Männer, wenn ich mich richtig erinnere.«
    Andrej ignorierte ihn. »Er war erst seit wenigen Stunden … infiziert, aber er sah aus, als wäre er seit Wochen tot.«
    Ali wollte erneut antworten, doch Hasan kam ihm zuvor. »Worauf willst du hinaus?«
    »Es verzehrt sie. Schnell.« Andrej stand auf und stieß die tote Katze mit dem Fuß an. »Diese Tiere hätten keine Stunde mehr gelebt.«
    »Sie haben schon
seit
einer Stunde nicht mehr gelebt«, gab Ali zu bedenken, was aber auch jetzt niemanden zu interessieren schien.
    »Wäre es anders, bestünde die Welt wohl schon nur noch aus wandelnden Toten«, sagte Hasan. »Das Böse verzehrt sich in seiner Gier selbst. Wir sollten Gott dafür danken.«
    »Dass er uns dieses Unheil geschenkt hat?«, fragte Abu Dun.
    »Das war gewiss nicht Gottes Werk!«, sagte Ali heftig.
    »Nein?« Abu Dun machte ein verwirrtes Gesicht. »Und ich dachte, er hätte alles auf dieser Welt erschaffen … aber ich habe wieder einmal vergessen, dass er nur für alles Gute und Edle auf der Welt verantwortlich ist und der Mensch für alles Schlechte und Niederträchtige.« Im Gebüsch neben ihm raschelte es. Abu Dun machte einen schnellen Schritt zur Seite und stampfte ein paarmal mit dem Fuß auf, bis nichts mehr zu hören war. Dann fuhr er mit einem Lächeln, und als wäre gar nichts geschehen, fort: »Verzeiht einem dummen Mohren seine Vergesslichkeit.«
    »Seid ihr alle unverletzt?«, fragte Andrej rasch, bevor Ali antworten und der absurde Streit noch weiter eskalieren konnte. Abu Dun und der Assassinen-Hauptmann würden die Sache zwischen ihnen ein für alle Mal klären müssen, und das bald, aber jetzt war nicht der rechte Moment dafür. »Ich meine: wirklich unverletzt«, fuhr Andrej fort, »keinen Kratzer, keine kleine Bisswunde?«
    Alle nickten, doch damit gab sich Andrej nicht zufrieden. Er wusste, wie verheerend sich schon die winzigste Verletzung auswirken konnte. Ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren, trat er auf den Mann zu, der zuerst angegriffen worden war. Er hatte gesehen, wie die Katze ihn angesprungen und sich an ihm festgekrallt hatte. Und es war kein schwächlicher Welpe gewesen, sondern ein ausgewachsenes kräftiges Tier mit Krallen, hart und scharf wie Messerklingen.
    »Und du?«
    Statt laut zu antworten, hob der Mann nur die Hände und riss sein ohnehin arg in Mitleidenschaft gezogenes kunterbuntes Wams entzwei. Darunter kam ein schwarzes Kettenhemd zum Vorschein, und unter diesem wiederum ein Harnisch aus eisenhartem Leder, in dem die Krallen des

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