Nekropole (German Edition)
Assassinen war, hatten sich Alis Männer auf dem kleinen Vorplatz verteilt, um in alle Richtungen zu sichern. Dabei gaben sie sich nicht einmal Mühe, sich zu verbergen, waren aber trotzdem so gut wie unsichtbar. Hasan und Kasim waren ein Stück hinter der Tür stehengeblieben und unterhielten sich mit gedämpften Stimmen und so, dass Andrej nicht fragen musste, um zu erkennen, dass es sich um etwas von sehr privater Natur handelte. Also ging er mit schnellen Schritten an ihnen vorbei und zu Ali, der zusammen mit Ayla auf der anderen Seite des Platzes stand. Seine rechte Hand lag auf Aylas Schulter, doch es war keine beschützende Geste, sondern eine besitzergreifende. Der Anblick machte Andrej wieder zornig.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte er, noch bevor er die beiden erreicht hatte.
Ali nickte. »Ich habe meiner Schwester nichts zuleide getan. Andrej«, sagte er kühl. »Und das habe ich auch nicht vor.«
Andrej wandte sich fragend an Ayla, doch sie funkelte ihn noch zorniger an, als ihr Bruder es jemals gekonnt hätte.
Du hast es mir versprochen.
»Du musst keine Angst haben«, sagte er. »Niemand wird dir ein Haar krümmen, solange ich dabei bin.« Als Ayla nichts erwiderte, sagte er: »Es war nicht besonders klug, davonzulaufen, weißt du? Ich kann gut verstehen, dass du Angst hast, aber ich kann dich nicht beschützen, wenn ich nicht bei dir bin.«
Doch statt besänftigt zu sein, wich Ayla vor ihm zurück, rückte damit aber noch näher an Ali heran. Andrej wollte noch etwas sagen, beließ es aber dann bei einem stummen Schulterzucken, als er die Enttäuschung in ihrem Blick sah. Ali legte ihr nun auch noch die andere Hand auf die Schulter und führte sie mit sanfter Gewalt fort.
»Nimm es ihr nicht übel, Andrej«, sagte Hasan hinter ihm. »Sie ist ein Kind. Ein sehr kluges Kind und ungemein tapfer, aber am Ende bleibt sie doch ein Kind. Was hast du erwartet? Sie hat um ihr Leben kämpfen müssen, sie hat eine Belagerung erlebt, ist von wandelnden Toten angegriffen worden und hat eine Seeschlacht überlebt … das kann ein junges Mädchen schon verängstigen, meinst du nicht auch?«
Dagegen konnte er schwerlich etwas sagen, auch wenn er spürte, dass das keineswegs die Wahrheit war, sondern nur das, von dem Hasan (zu Recht) annahm, dass es das war, was er hören wollte. Und ihm war klar, dass er auch nicht mehr hören würde.
Er nickte, so zögerlich, dass Hasan etwas hatte, über das er nachdenken konnte.
»Dann lass uns gehen.«
»Und wohin?«
»Don Corleanis und seine Männer warten am Kolosseum auf uns, und ich fürchte, wir werden seine Hilfe nun doch in Anspruch nehmen müssen. Es ist nicht mehr weit.«
Kapitel 18
Da sie sich innerhalb der Aurelianischen Mauer bewegten, war die Strecke nicht sehr lang, die sie zurücklegen mussten, aber Andrej kam es trotzdem so vor, als nähme der Weg kein Ende.
Immerhin trafen sie nur noch auf wenige Menschen, was Andrej aber in zunehmendem Maße beunruhigte. Die Straßen, durch die sie gingen, wirkten zum Teil wie ausgestorben, und auch hinter den meisten Fenstern rührte sich nichts. Wer sich nicht in seinem Haus verkrochen hatte, um den angeblich dahingeschiedenen Stellvertreter Gottes auf Erden zu betrauern, der war jetzt vermutlich auf dem Weg zum Vatikan, um dabei zu sein, wenn der Name seines Nachfolgers bekannt gegeben wurde und einem Mann zuzujubeln, über den er ebenso wenig wusste wie über seinen Vorgänger – und der sich darüber hinaus auch genauso wenig um sein Schicksal kümmern würde wie dieser, geschweige denn überhaupt um seine Existenz wusste. Die Straßen, durch die sie gingen, um das Kolosseum zu erreichen, wirkten wie ausgestorben, und die wenigen Menschen, denen sie begegneten, hatten es ausnahmslos sehr eilig, die Straßenseite oder auch gleich die Richtung zu wechseln oder, wenn das nicht mehr möglich war, zumindest gesenkten Blickes an ihnen vorbeizugehen.
Andrej wunderte das nicht wirklich, bei dem Anblick, den sie mittlerweile boten. Nach dem Kampf mit den Katzen, der ihrer Kleidung nicht gut bekommen war, hatten die Männer sich der bunten Geckenkostüme entledigt, die Don Corleanis ihnen aufgeschwatzt hatte. Doch in ihren Kettenhemden und schwarzen Lederharnischen wirkten sie nun äußerst bedrohlich. Spätestens in einer Stunde, vermutete Andrej, würde auch die Obrigkeit dieser Stadt von der kleinen Armee bis an die Zähne bewaffneter Fremder wissen, die durch die Straßen zog und schon durch ihre bloße
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