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Nekropole (German Edition)

Nekropole (German Edition)

Titel: Nekropole (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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mit denen die Nischen vor langer Zeit einmal verschlossen gewesen waren. Immer noch hing ein ganz sachter Raubtiergestank in der Luft, und darunter glaubte er den Geruch unendlichen Leids wahrzunehmen, das dieser Ort gesehen und das sich unauslöschlich in seinen Stein gegraben hatte. Eine vage Erinnerung regte sich, aber auch noch etwas anderes und viel Stärkeres, das diese Erinnerung nicht zuließ.
    Sie näherten sich dem grauen Licht, das sie hierhergelockt hatte, und sahen sich einem letzten Hindernis gegenüber. Der Gang hatte einst vor einer aus wuchtigen Quadern erbauten Treppe geendet, die aber längst zusammengebrochen war. Ihr oberes Drittel aus zerborstenem Stein, Schutt und faulendem Holz schien nur auf einen zu warten, dem es Hände und Füße zerschneiden konnte.
    Selbstverständlich übernahm Abu Dun diese Rolle gern und turnte die Schutthalde mit einem Geschick und einer Schnelligkeit empor, dass Andrej einen leisen Stich von Neid spürte. Entschlossen folgte er dem Nubier, so schnell er konnte, aber sehr viel vorsichtiger, sodass er auf dem letzten Stück so weit zurückfiel, dass er ihn aus den Augen verlor, und auf den allerletzten Metern musste er all seine Kraft aufbieten, um überhaupt noch von der Stelle zu kommen und nicht zurückzurutschen. Schließlich aber griff er nach oben, zog sich mit einem letzten entschlossenen Ruck in graues Tageslicht hinauf und wurde mit einem wahrhaft denkwürdigen Anblick belohnt.
    Er starrte genau ins Gesicht eines riesigen Hundes. Er konnte nicht viel kleiner sein als ein Pony, sah aber nicht einmal annähernd so nett aus. Sein Fell war verdreckt und stank, übel riechender Geifer tropfte aus seinem Maul, und seine stumpfe Schnauze war von zahllosen entzündeten Geschwüren und Pusteln übersät. Die beiden Reißzähne, die Andrej drohend anfletschten, waren länger als die Finger eines Säuglings. Und seine Augen waren leer. Das Leben, das noch vor Kurzem darin gewesen war, war von etwas Dunklem verzehrt worden.
    Noch entsetzlicher allerdings war die menschliche Hand zwischen den Zähnen der riesigen Bestie, von der noch immer hellrotes Blut tropfte. Der unglückselige Besitzer dieser Hand lag nur ein paar Schritte entfernt auf dem Boden und versuchte, sich in die Höhe zu stemmen, was ihm aber nicht gelang, weil Abu Dun breitbeinig über ihm stand und den rechten Fuß zwischen seine Schulterblätter presste.
    Der Anblick war so bizarr, dass er Andrej fast das Leben gekostet hätte, denn noch während er Abu Dun und sein lautlos zappelndes Opfer anstarrte, überwand der Hund seine Erstarrung, ließ die Hand fallen und stürzte sich mit aufgerissenem Maul auf ihn. Mit Glück gelang es Andrej, im letzten Moment den Kopf zurückzuwerfen, sodass die beeindruckenden Fänge der Bestie gerade einmal eine Fingernagelbreite vor seiner Kehle zusammenschlugen. Zugleich versetzte er dem Hund einen Schlag mit der geballten Faust, der ihn zwar zurückschleuderte, ihn aber darüber hinaus nicht weiter beeindruckte. Mit derselben unheimlichen Lautlosigkeit, die auch die menschlichen Untoten auszeichnete, stürzte er sich sogleich erneut auf sein vermeintlich wehrloses Opfer.
    Andrej belehrte ihn eines Besseren, indem er ihm Zeige-, und Mittelfinger in die Augen stieß und auf diese Weise blendete, was ihm aber offenbar mehr Unbehagen bereitete als dem Tier, das zwar abermals zurückwich, dann aber wieder wild angriff und nach seiner Hand biss. Andrej entging dem Zuschnappen der lebendig gewordenen Bärenfalle mit knapper Not und revanchierte sich, indem er der Kreatur die Stirn mit aller Kraft gegen die aufgerissene Schnauze rammte – was ihr nicht nur den Kiefer brach, sondern sie auch einiger Zähne beraubte, die mit einem hellen Knacken wie zerbrechendes Porzellan in alle Richtungen davonflogen. Der unheimliche Angreifer gab noch immer keinen Laut von sich, ging aber ein kleines Stück zurück und schüttelte benommen den Kopf, Zahnsplitter, Blut und stinkenden, schwarzen Schleim in alle Richtungen spritzend. Andrej nutzte die Gelegenheit, um sich ganz aus dem halb eingestürzten Treppenschacht zu ziehen und mit einer blitzartigen Rolle größere Distanz zwischen sich und die Bestie zu bringen – die ihn im gleichen Moment wieder ansprang, in dem er auf die Füße kam.
    Blitzschnell drehte er den Oberkörper zur Seite und ließ sich auf ein Knie fallen, sodass die scharfen Zähne des Monsterhunds lediglich einen Streifen Stoff aus seinem Hemd rissen, als er an ihm

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