Nekropole (German Edition)
Säulengang. Er befand sich – selbstverständlich – am anderen Ende des großen Ovals und war mit einem Tor aus rostigen Eisenstäben verschlossen, was für den Nubier aber kein großes Hindernis darstellen konnte.
Wenn sie es erreichten.
Es war, als hätte sich eine Tür in Andrejs Gedanken geöffnet, durch die ein eisiger Lufthauch hereinströmte und seine Seele zum Erschauern brachte.
Ayla stieß einen kleinen Schrei aus und schlug die Hand vor den Mund, und als Andrej hochsah, hätte er am liebsten dasselbe getan.
Sie waren da.
Kapitel 21
Es waren nicht wirklich Hunderte, doch im ersten Moment kam es Andrej so vor, als er die Armee aus schwankenden und torkelnden Gestalten sah, die überall auf den gemauerten Rängen und Treppen erschienen, sich durch die Torbögen schoben und sich in ihre Richtung schleppten, wie ein bizarrer rückwärts verlaufender Vulkanausbruch, bei dem die Lava lebendig geworden war und nun wieder in die Caldera zurückstrebte, um sich erneut zu alles verzehrender Höllenglut zu vereinen.
Andrej schloss die Hand fester um das Schwert. Er und Abu Dun wurden mit dieser Übermacht fertig, doch sie hatten Ayla bei sich, und er würde das Mädchen unter gar keinen Umständen in Gefahr bringen. Er hatte versprochen, sie zu beschützen.
Sie eilten los, wobei Abu Dun die Führung übernahm und einen Kurs einschlug, der ihm im ersten Moment willkürlich erschien, bis er begriff, dass sie so immer den größtmöglichen Abstand zu den heranschlurfenden Untoten hielten. Als sein Blick weiterwanderte, stellte er fest, dass sie so nur auf eine Gruppe aus drei Toten trafen, zu wenige, um sie aufzuhalten.
Die ersten beiden enthauptete Abu Dun mit einem einzigen gewaltigen Schwertstreich und zertrümmerte den Schädel des letzten wandelnden Leichnams mit einem Hieb seiner Eisenhand.
Andrej beobachtete die Szene mit kühlem Interesse und fragte sich ebenso sachlich, wo das Entsetzen blieb, das er bei diesem Anblick doch empfinden sollte. So tödlich und Furcht einflößend die Kreaturen auch sein mochten, waren sie doch vor nicht einmal einer Stunde noch lebende und fühlende Menschen gewesen, die zumindest sein Mitleid verdienten, wenn auch gewiss keine Gnade. Aber er empfand nichts, nur die kühle Befriedigung eines Kriegers, der sah, wie schnell seine Gegner zu Boden sanken.
Er versuchte, sich unauffällig so zu positionieren, dass Ayla wenigstens die schlimmsten Details des schrecklichen Geschehens erspart blieben, auch wenn er sich sagte, dass sie Schlimmeres gesehen hatte, bevor sie hergekommen waren. Und er zweifelte nicht daran, dass sie noch weitaus Schlimmeres sehen würde, bevor diese Geschichte zu Ende war.
Wenn sie denn jemals endete.
Sie erreichten den Torbogen, stürmten hindurch und fanden sich vor genau dem verschlossenen Gitter wieder, das Andrej schon von Weitem gesehen hatte – nur, dass es jetzt so massiv und unüberwindlich aussah, dass er sich fragte, ob selbst Abu Duns Titanenkräfte ausreichten, um es aufzubrechen. Zudem waren die beiden Hälften mit einer Kette aus daumendicken Gliedern gesichert und diese wiederum mit dem größten Vorhängeschloss, das er jemals gesehen hatte.
»Bei Allah, was wollten sie hier drinnen festhalten?«, murmelte Abu Dun überrascht. »Elefanten?«
Wenn man bedachte, welchem Zweck dieser Ort einst gedient hatte, war das noch nicht einmal so weit hergeholt, dachte Andrej. Die Kette sah jedenfalls ganz so aus, als hätte sie schon ein gutes Jahrtausend auf dem Buckel. Das Schloss unglückseligerweise nicht. »Vielleicht tobsüchtige Nubier«, sagte er.
Abu Dun rüttelte einen Moment lang vergeblich an den Stäben, dann an der Kette selbst, und machte ein mürrisches Gesicht. »Dann muss ich eben grob werden.«
Andrej zog Ayla an sich und wich vorsichtshalber zwei Schritte zurück, als der Nubier sein Schwert zog, einen grätschbeinigen Stand einnahm und die Klinge mit einem gewaltigen beidhändig geführten Hieb auf die Kette niedersausen ließ. Funken stoben, das Geräusch von gepeinigtem Metall war zu hören, und das gesamte Tor dröhnte – doch die Kette zersprang nicht. Sie hatte nicht einmal eine Schramme, dachte Andrej bestürzt.
»Das nenne ich mal echte italienische Handwerkskunst«, grollte Abu Dun. Er seufzte. »Halt mir den Rücken frei, Hexenmeister. Das hier kann einen Moment dauern.«
Das letzte Wort ging schon halb im Dröhnen des nächsten und noch einmal gewaltigeren Schlages unter, mit dem er seine Klinge auf
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