Nekropole (German Edition)
das zu verhindern, sind wir hier. Also, wenn du mir dabei helfen willst, Andrej, dann folge mir.«
»Und ich dachte, das tun wir schon die ganze Zeit«, rief Abu Dun von der anderen Seite des Raumes. Andrej sah, wie sich Clemens’ Stirn umwölkte – Altieris Miene war unergründlich –, doch der erwartete Zornesausbruch kam nicht. Clemens wandte sich mit einem müden Nicken an Kasim, woraufhin der ehemalige Schmied sich erschöpft in die Höhe stemmte und nach seinem Beutel griff, um etwas Kleines, Dunkles zutage zu fördern, das selbst Andrejs scharfe Augen nicht erkennen konnten. Doch als er ohne ein weiteres Wort in den Schatten verschwand und kurz darauf ein charakteristisches Klacken erklang, begriff Andrej, dass es ein Schlüssel war. Rostige Angeln quietschten, und die Dunkelheit, in die Kasim eingetaucht war, wurde noch einmal schwärzer.
»Eine verborgene Tür am Ende einer geheimen Treppe, die unter dem Bett des Papstes beginnt«, sagte Abu Dun spöttisch. »Also so ungefähr wenigstens. Wie aufregend. Ich habe mich immer schon gefragt, was der Heilige Vater wohl unter seinem Bett versteckt. Ehrlich gesagt habe ich zwischen einem goldenen Nachtgeschirr und dem Heiligen Gral geschwankt … aber wenn ich es mir genau überlege, dann schließt das eine ja das andere nicht einmal aus, nicht wahr?«
»Abu Dun«, seufzte Andrej.
Abu Dun machte ein verwirrtes Gesicht. »Was?«
Wahrscheinlich nicht nur zu seiner Erleichterung kam Kasim in diesem Moment zurück. Ein dünner Staubfaden klebte an seiner Kopfbedeckung und hing neben seinem Gesicht herunter, was ihm etwas von einer Marionette gab, deren Spieler plötzlich das Interesse an ihr verloren hatte. »Kommt.«
Im Vorübergehen nahm Andrej eine der Fackeln aus den geschmiedeten Halterungen an der Wand. Die Luft knisterte, als sie durch die flackernde Flamme strich, als wäre sie so trocken, dass sie selbst in Brand zu geraten drohte, und er roch nichts außer schier unvorstellbarem Alter. Ungeduldig drängte er sich an Kasim vorbei und durch die niedrige Tür – sie war so tief, dass Abu Dun bestimmt seine helle Freude daran haben würde –, hinter der eine weitere und dem Anschein nach noch weit ältere Treppe weiter in die Tiefe führte. Die Staubschicht darauf war so fest, dass sie nicht einmal unter seinen Schritten aufwirbelte. Die Luft brannte in seinen Lungen, und rings um seine Fackel schienen eine Million winziger gelber und roter Funken in ununterbrochener Folge aufzuglühen und wieder zu erlöschen. Hier unten war seit einem Menschenalter niemand mehr gewesen, wenn nicht länger.
»Bleib dort unten stehen und rühr dich nicht«, rief Hasan ihm nach. »Geh nirgendwohin und fass nichts an.«
Andrej hatte nicht vor, etwas so Dummes zu tun.
Aber er hatte eigentlich auch nicht vorgehabt, überhaupt hier zu sein.
Das Gefühl einer ebenso mächtigen wie uralten Präsenz wurde mit jeder Stufe, die er nahm, beklemmender. Er sollte nicht hier sein. Niemand sollte das.
Am Fuße der Treppe angekommen, trat er einen Schritt zur Seite, um den Männern hinter sich Platz zu machen, und hob seine Fackel. Er erlebte eine Enttäuschung. Dabei hätte er nicht einmal sagen können, was er erwartet hatte – irgendetwas Besonderes eben –, doch vor ihm erstreckte sich einfach nur ein weiteres, uraltes Gewölbe, das zu einem Großteil eingestürzt war. Rechterhand erhob sich ein gewaltiger Haufen aus Trümmern und zerborstenem Mauerwerk, auf der anderen Seite verlor sich das flackernde rote Licht der Fackel in der Dunkelheit, in der sein Blick keinen Halt mehr fand. Wieder spürte er das ungeheure Alter, das ihn umgab, doch nun kam noch etwas anderes dazu, etwas so Beängstigendes, dass es ihm schier die Kehle zuschnürte. Ihm war, als hätte er die Aufmerksamkeit von etwas geweckt, dessen bloßes
Interesse
ausreichte, um jeden Menschen zu Asche zu verbrennen.
Andrej zwang sich zu einem halblauten Lachen. Alberne Gedanken wie diese passten nun wirklich nicht zu ihm.
Aber was, wenn es die Wahrheit war
?
Kasim folgte ihnen dichtauf und entfernte sich dann wieder so weit von ihm, dass das Licht ihrer beiden Fackeln zwei voneinander getrennte Tümpel aus rotem Licht bildete, zwischen denen sich Dinge bewegten, die besser nicht gesehen werden sollten.
Abu Dun und Ayla waren die Letzten, die in das Gewölbe hereintraten. »Was ist das hier?«, fragte Abu Dun.
»Das weiß niemand mehr«, antwortete Clemens. »Es ist sehr alt, das ist alles, was ich sagen
Weitere Kostenlose Bücher