Nekropole (German Edition)
sondern Ayla mit sachtem Druck vor sich herschob, als er zu Altieri ging. Die beiden begannen mit so leiser Stimme miteinander zu reden, dass er nicht verstand, worum es ging. Nur ganz allmählich wurde ihm bewusst, was Clemens ihm da gerade gesagt hatte, aber er verstand nicht, warum.
»Da geht es Euch nicht anders als Eurem unwürdigen Diener, Sahib«, sagte Abu Dun hinter ihm.
Andrej fuhr so erschrocken zusammen, dass einer der Assassinen überrascht den Kopf hob und ihn mit einem irritierten Blick maß. »Kannst du neuerdings Gedanken lesen?«, fragte er ärgerlich.
»Wenn sie sich mit meinen decken, ja. Und wenn sie so offensichtlich sind.« Abu Dun sah Andrej erwartungsvoll an und hob schließlich die Schultern, als er wohl einsah, dass er keine Antwort bekommen würde. »Nun fragt mich schon, Sahib.«
»Und was?«
»Seine Heiligkeit Papst Clemens der Neunte hat gerade einem Heiden und Teufelsanbeter eines der größten Geheimnisse der Christenheit offenbart«, sagte Abu Dun. »Von seinem Freund, dem Sarazenen ganz zu schweigen. Du weißt, wie lange sie schon nach dem Grab des Fischers suchen? Tausend Jahre?«
»Da kannst Du noch ein paar Jahrhunderte draufschlagen.«
»Und uns beiden verrät er es einfach so?«
»Vielleicht vertraut er uns ja.«
»Vielleicht.« Abu Dun wiegte nachdenklich den Kopf. »Oder er ist ganz sicher, dass wir keine Gelegenheit mehr bekommen werden, sein kleines Geheimnis auszuplaudern.«
»Du bist zu misstrauisch, Pirat«, sagte Andrej.
»Eines davon muss es ja sein«, seufzte Abu Dun. »Ich traue diesem heiligen Mann nicht. Ich habe es nicht getan, bevor ich wusste, wer er wirklich ist, und ich tue es noch viel weniger, seit ich weiß, wer er ist.«
Und damit hatte er nur zu recht. Flüchtig fragte sich Andrej, warum nicht
er
Abu Dun diese Frage stellte, statt nun selbst nach einer Antwort zu suchen, doch dann wanderte sein Blick zu Ayla, die zwar gehorsam an Clemens’ Seite stand, Abu Dun und ihn aber nicht eine Sekunde aus den Augen ließ, und er verstand. Um sie zu beschützen und das Wort zu halten, das er ihr gegeben hatte, würde er Ayla auch in die Hölle folgen, wenn es sein musste.
»Ich werde ihn fragen«, antwortete er, nicht nur mit einiger Verspätung, sondern auch so wenig Überzeugung, dass sich Abu Dun nicht einmal die Mühe machte zu antworten, sondern lediglich eine Grimasse zog und sich trollte. Andrej sah ihm mit gemischten Gefühlen nach – Verwirrung, schlechtes Gewissen … aber auch einem langsam weiterwachsenden Groll. Begriff dieser große Tölpel denn nicht, in welcher Gefahr das Mädchen schwebte, und dass er sie schützen musste?
Rasch ging er zu Clemens und den anderen zurück, wobei er es nicht versäumte, Ayla ein aufmunterndes Lächeln zu schenken. Sie reagierte nicht darauf, aber immerhin nahm ihre Angst nicht noch mehr zu.
Altieri war gerade dabei, sein Gespräch mit den Gardisten zu beenden und schickte einen der Männer mit einem Kopfnicken fort. Erst jetzt erkannte Andrej in ihm den verletzten Soldaten, der ihm schon einmal aufgefallen war. Sein schlechtes Gewissen sollte sich eigentlich melden, als er sich daran erinnerte, was er über ihn gedacht hatte, aber das geschah nicht. Stattdessen regte sich sein Misstrauen, als er sah, in welche Richtung er ging.
»Ihr schickt ihn fort?«, wandte er sich an Altieri.
»Der Mann ist verletzt«, antwortete der Kardinal. »Er wäre uns ohnehin keine Hilfe mehr, sondern nur eine Belastung.«
»Und deshalb schickt Ihr ihn in den sicheren Tod? Ihr wisst, was dort oben auf ihn wartet.«
Er sah Altieri an, dass er zu einer geharnischten Antwort ansetzte, doch Clemens kam ihm zuvor. »Ich habe ihn darum gebeten«, sagte er rasch. »Es gibt hier einen geheimen Ausgang in einem vor neugierigen Blicken verborgenen Garten. Es kann ihn niemand finden, der nicht ganz genau weiß, wo er zu suchen hat, und diese geistlosen Kreaturen schon gar nicht, sofern man sie nicht mit der Nase darauf stößt und mit einer ganzen Gruppe wie der unseren unterwegs ist. Aber er allein hat eine gute Chance, auf diesem Weg den Vatikan zu verlassen und in der Stadt unterzutauchen.«
Was wahrscheinlich besser war, als das, was alle anderen hier erwartete, dachte Andrej. Trotzdem verzog er die Lippen zu einem verächtlichen Lächeln und fragte: »Du meinst die Stadt, die jetzt gerade wahrscheinlich Seele für Seele von den zurückgekommenen Toten aufgefressen wird?«
»Ganz genau die«, antwortete Clemens. »Und um
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