Nekropole (German Edition)
wiederhole meine Frage: Worauf wartest du?«
Ali sah ihn nachdenklich an, beinahe schon verwirrt – vermutlich hatte er fest damit gerechnet, dass Andrej sich wehren würde und war innerlich auf einen Kampf vorbereitet –, doch dann schüttelte er nur den Kopf, trat wieder einen halben Schritt zurück und hielt Andrej das Schwert mit abwärtsgerichteter Klinge hin.
»Das ist eine sehr wertvolle Waffe«, sagte er. »Du solltest ein wenig besser darauf achtgeben. Ich bin sicher, dass du ihren Verlust bedauern würdest.«
Andrej blickte die Waffe zwar mit leiser Überraschung an, aber er machte keine Anstalten, danach zu greifen. Machte sich Ali über ihn lustig?
»Wenn du es nicht zurückhaben willst, dann würde ich mich geehrt fühlen, es in Verwahrung nehmen zu dürfen«, fuhr Ali fort, vermutlich in dem schrecklich misslungenen Versuch, den Tod seiner Schwester mit einer beiläufigen Bemerkung zu überspielen. »Du weißt, wem dieser
Saif
einmal gehört hat?«
Andrej nickte nur.
»Und du willst ihn wirklich nicht zurück?«
»Mach dich nicht über mich lustig«, sagte Andrej. »Wenn du mich töten willst, dann tu es. Aber verspotte mich nicht. Das macht deine Schwester auch nicht wieder lebendig.«
»Dich töten?« Ali klang ein wenig erstaunt. »Das habe ich nicht vor, Andrej. Warum sollte ich das tun?«
»Wir hatten eine Vereinbarung«, erinnerte Andrej.
»Und du hast sie eingehalten«, bestätigte Ali. »Keine Macht der Welt hätte Ayla retten können. Du hast sie sicher hierhergebracht, und das war alles, was ich erwartet habe. Und mehr, als alle anderen gekonnt hätten.«
Andrej schüttelte den Kopf. »Ich habe nichts zu all dem beigetragen. Du hättest sie genauso gut auch ohne mich nach Rom – und an diesen Ort – bringen können.«
»Nein«, widersprach Ali. »Nur jemand von deiner Art war dazu in der Lage. Und noch dazu jemand, der sich auf Ayla einlassen konnte, ohne daran zu zerbrechen.«
Andrej starrte ihn an. In seinem Kopf jagten sich die verrücktesten Vorstellungen. »Jemand von meiner Art? Was meinst du damit?«
Ali seufzte. »Das weißt du selbst sehr viel besser als ich. Und außerdem spielt es jetzt keine Rolle mehr. Du hast deinen Teil der Vereinbarung eingehalten und den Papst getötet …«
»Den Papst getötet?« Andrej schüttelte den Kopf. »Nein. Ich hätte niemals Hand an ihn gelegt.«
»Ich weiß«, antwortete Ali ernst. »Und wäre es anders, dann hätte ich dich daran zu hindern gewusst.« Er hob die Hand, um Andrejs Erwiderung im Keim zu ersticken. »Papst Clemens ist … war ein sehr weiser Mann. Er musste alles tun, um die Seele seiner Tochter zu retten – und die Welt vor den Folgen seiner Freveltat zu bewahren.« Als er weitersprach, wurde seine Stimme so leise, dass Andrej ihn kaum noch verstehen konnte. »Du hast mit eigenen Augen gesehen, wie schnell es um sich gegriffen hat. Selbst Krieger wie du und ich wären nicht länger als höchstens ein paar Tage in der Lage gewesen, dem Ansturm der Verwandelten zu widerstehen.«
»Der erst dadurch ausgelöst worden ist, dass wir Ayla hierhergebracht haben!«
»Aber verstehst du denn nicht?«, fragte Ali leise. »Es wäre sowieso passiert, in Jaffa oder anderswo, und dann hätte es sich wie ein Flächenbrand ausgebreitet. Das, was Ayla zerfressen hat, brauchte ständig neue Nahrung …«
»Wenn das tatsächlich so gewesen wäre«, unterbrach ihn Andrej in scharfem Tonfall, »warum hat Clemens sie dann nicht in Jaffa töten lassen, statt diese wahnsinnige Fahrt zusammen mit uns in das Herz von Rom zu erzwingen?«
Ali schüttelte den Kopf. »Mein Herr hätte seiner Tochter niemals ein Haar gekrümmt. Es wäre auch vollkommen sinnlos gewesen. Der Keim der Vernichtung war gelegt, nichts hätte ihn aufhalten können.« Er atmete tief durch. »Bis auf die Vernichtung des Kelches und den Tod des Mannes, der seine Macht missbraucht hat.«
»Und Aylas Tod!«
»Aber nein«, widersprach Ali ruhig. »Ayla war schon lange tot. Sie wurde nur auf eine widernatürliche Art ins Leben zurückgezwungen. Auf eine Art, die letztlich in der Herrschaft des Todes über alles Leben gemündet hätte, hätte Clemens dem nicht ein Ende gesetzt.«
Andrej musste an die toten Katzen denken, die sie angegriffen hatten, und ein kalter Schauer überlief ihn.
»Ich sehe, dass du zu begreifen beginnst«, sagte Ali. »Auch ich habe lange gebraucht, bevor ich es akzeptieren konnte. Ansonsten hätte ich niemals zugelassen, dass mein Herr euch
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