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Nekropole (German Edition)

Nekropole (German Edition)

Titel: Nekropole (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sind. Sie hören etwas, und je gruseliger es ist, umso lieber erzählen sie es. Es gibt nichts Spannenderes als das Unglück, das andere trifft.«
    »Zweifellos.« Abu Dun maß Corleanis von Kopf bis Fuß, als hätten ihn dessen Worte auf eine Idee gebracht. Er bewegte die Schulter, und seine eiserne Linke schloss sich wie eine zuschnappende Fuchsfalle und vermutlich mit derselben Kraft. Corleanis wich einen halben Schritt zurück und legte instinktiv die Hand auf die bandagierte Rechte.
    »Bitte«, seufzte Hasan. »Ich meine es ernst, Abu Dun.«
    »Ich auch«, antwortete der Nubier. Seine Eisenhand klapperte zustimmend.
    »Erzählt weiter, Don«, seufzte Hasan.
    »Da gibt es nichts mehr zu erzählen«, sagte der Schmuggler unruhig. »Es sind nur Gerüchte. Ihr wisst, wie die Leute sind.«
    »Warum machst du dich dann gleich nass, wenn es nur Gerüchte sind?«, erkundigte sich Abu Dun fröhlich.
    »Das tue ich doch gar …!«, begehrte der Schmuggler auf, unterbrach sich und begann auf seiner Unterlippe zu kauen.
    »Es ist schon gut, Don«, sagte Hasan sanft. »Du hast jedes Recht der Welt, nervös zu sein. Vor allem nach dem, was du am Hafen gesehen hast … oder gesehen zu haben glaubst.«
    »Aber ich weiß, was …«
    »Die Dinge sind nicht immer das, was sie auf den ersten Blick scheinen, mein Sohn«, unterbrach ihn Hasan. »Aber ich kann deinen Schrecken verstehen.«
    »Das … das ist es nicht, Eure Heiligkeit«, versicherte Corleanis nervös, und nicht mehr in der Lage, seinem Blick standzuhalten. »Es ist nur …«
    »Doch, das ist es«, beharrte Hasan. »Und ich habe deine Hilfe schon weit über Gebühr beansprucht, wie wir beide wissen. Es wird Zeit, dass sich unsere Wege endgültig trennen.«
    »Aber so war das nicht gemeint!«
    »Es war genauso gemeint, und du hast vollkommen recht damit«, sagte Hasan unbeirrt. »Und auch, wenn es nicht so wäre, könnten wir hier nicht bleiben.« Er deutete in die Richtung, in der die beiden Soldaten verschwunden waren. »Sie werden wiederkommen, und ich habe nicht das Recht, dich und deine Männer in Gefahr zu bringen.«
    Corleanis antwortete nicht, aber die Erleichterung war ihm deutlich anzusehen.
    »Wir werden Rom verlassen, und das so schnell wie möglich«, sagte Hasan, »und du solltest dasselbe tun. Nimm deine Männer und fahr zurück nach Sizilien. Wenn wir …«, er hielt inne und sprach dann mit veränderter Stimme weiter, »wenn ich erfolglos bin, dann ist es in dieser Stadt nicht länger sicher. Für niemanden. Du solltest auch alle warnen, die dir etwas bedeuten.«
    Ali sah ein bisschen entsetzt aus, fand Andrej, und auch Abu Dun runzelte fragend die Stirn.
    »Was genau … wie meint Ihr das?«, fragte Corleanis.
    »Mehr kann ich dir nicht sagen«, antwortete Hasan.« »Aber gib allen Bescheid, die du kennst. Wenn … etwas Schlimmes geschieht, dann sollen sie nicht zögern, die Stadt zu verlassen. Sie werden wissen, was es ist.« Er machte eine Kopfbewegung auf das Haus hin. »Und nun geht. Bereitet alles vor. Wir brechen in einer Stunde auf, und du und deine Männer solltet dasselbe tun.«
    Corleanis sah aus, als träfe ihn der Schlag, doch er fuhr auf dem Absatz herum, sogar ohne noch einmal vor Hasan auf die Knie zu fallen oder ihn wenigstens um seinen Segen zu bitten, und verschwand fluchtartig. Ali wartete gerade so lange, bis er ihn außer Hörweite wusste. »War das klug?«, fragte er dann.
    »Klug?« Hasan schüttelte den Kopf. »Nein. Wenn ich klug wäre, Ali, dann wäre nichts von alledem geschehen. und wir wären nicht hier. Aber ich war es ihm und seinen Männern einfach schuldig. An meinen Händen klebt schon zu viel Blut.«
    »Sie werden …«
    »Ich weiß, was ich tue«, unterbrach ihn Hasan in plötzlich scharfem Ton. »Geh und sag den Männern Bescheid, dass wir in einer Stunde aufbrechen. Sie sollen alle Spuren verwischen, die auf unsere wahre Identität hinweisen könnten. Diese Leute hier haben uns geholfen. Ich will nicht, dass sie unseretwegen Schwierigkeiten bekommen.«
    Alis Blick ließ keinen Zweifel daran, was er von Hasans Worten hielt. Er presste die Lippen zu einem blutleeren Strich zusammen und ging, schnell und ohne ein einziges Wort.
    Hasan sah ihm wortlos und mit trauriger Miene nach. Schließlich seufzte er tief und begann mit langsamen Schritten zu Ayla zu gehen. Andrej schloss sich ihm an.
    »Du weißt, was Corleanis’ Geschichte bedeutet«, sagte Abu Dun.
    »Genau das, was du sagst, mein Freund«, antwortete Hasan.

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