Nekropole (German Edition)
»Es ist eine Geschichte. Gerüchte, mehr nicht.«
»Ist das so?«, fragte Abu Dun.
»Du solltest beten, dass es so ist«, erwiderte Hasan, straffte die Schultern und legte die letzten Schritte zu Ayla schneller zurück. »Was hast du da, mein Kind?«
Ayla wich so weit vor ihm zurück, bis sie mit dem Rücken gegen die Wand stieß, und presste das Katzenjunge schützend an sich. In ihren Augen stand Angst geschrieben. Es brach Andrej fast das Herz.
»Eine junge Katze.« Hasan streckte die Hand aus, um das Tier zu berühren, doch Ayla wandte sich von ihm weg. Hasan ließ den Arm wieder sinken.
»Ein entzückendes Tier«, sagte er. »Ich hatte auch einmal eine Katze, als ich noch ein Kind war. Es sind stolze Tiere, und wenn man sie gut behandelt, dann danken sie es einem auch.« Er schwieg, als warte er auf ihre Reaktion. »Aber nun gib sie ihrer Mutter zurück, mein Kind.«
Ayla presste die Katze so fest an sich, dass diese erschrocken miaute. »Ich möchte sie behalten.«
»Ja, das glaube ich dir gerne«, antwortete Hasan. »Aber das geht nicht, und ich glaube, das weißt du auch.«
»Ich will sie behalten«, wiederholte Ayla in quengelndem Ton. »Ich habe sie gefunden. Sie gehört mir!«
»Sie gehört niemandem, Ayla«, antwortete Hasan. »Und du willst sie doch nicht ihrer Mutter wegnehmen, oder? Sie ist viel zu jung.«
»Aber …«
»Und selbst, wenn es nicht so wäre«, fuhr Hasan in strengerem Ton fort, »könnten wir sie nicht mitnehmen, bitte sieh das ein. Wir können uns nicht auch noch um ein Haustier kümmern. Also sei vernünftig. Sie würde es nicht überleben, wenn du sie ihrer Mutter wegnimmst.«
»Aber ich will sie …«
»Andrej«, sagte Hasan.
Ayla wollte rücklings vor ihm zurückweichen, doch Andrej ergriff sie rasch mit der Linken und nahm ihr mit der anderen Hand die Katze weg.
»Bring es seiner Mutter zurück«, sagte Hasan noch einmal.
Andrej ging mit dem Kätzchen zurück zu dem Winkel, in dem Ayla sie und ihre Geschwister gefunden hatte. Das Mädchen starrte ihm hasserfüllt nach. Als er zurückkam, tastete ihr Blick über die Schatten, in denen er die Katze zurückgelassen hatte. Sie protestierte nicht mehr und versuchte sich auch nicht auf andere Weise zu widersetzen, als er sie wegführte, aber sie sah ihn an, als hätte er ihr das Herz herausgerissen.
Und das tat sie auch noch, als er eine halbe Stunde später zu ihr ging, um ihr das Katzenbaby zu geben, das er unter dem Mantel verborgen an Ali und seinen Männern vorbeigeschmuggelt hatte.
Kapitel 12
Abu Dun musterte die Kleider, die Don Corleanis vor ihnen auf dem Tisch abgeladen hatte, mit angewiderter Miene: »Das ziehe ich nicht an!«, und streckte seine künstliche Hand aus, um mit spitzen Metallfingern nach einem kunterbunten Hemd zu greifen. »Damit sehe ich ja aus wie ein farbenblinder Papagei!«
»Das ist allerfeinstes venezianisches Tuch, du Banause!«, antwortete Corleanis empört. »Und es entspricht der neuesten Mode! So kleiden sich die besseren Herrschaften hier in Rom, aber von so etwas hat einer wie du ja keine Ahnung!«
Andrej seufzte. Der Disput dauerte nun schon eine geraume Weile, und je lauter und hitziger er wurde, desto leiser waren alle anderen Gespräche im Raum geworden und umso breiter das Feixen auf dem einen oder anderen Gesicht. Selbst Ali, der am anderen Ende des Gastraumes stand und Abu Dun mit Blicken durchbohrte, die ebenso finster waren wie das Gesicht des nubischen Riesen, grinste jetzt. Er klopfte Kasim, der mit bleichem Gesicht und abwesendem Blick neben ihm hockte, auf die Schulter, und dieser murmelte tonlos: »Keine Ahnung.«
Dabei hatte Corleanis es sicher nur gut gemeint, Ali und seinen Assassinen Kleider zu bringen, in denen sie in dieser Stadt zumindest nicht auf den ersten Blick als Fremde auffielen. Aber Abu Dun hatte schon recht: Die Farbgebung war … gewagt.
»Das ziehe ich nicht an«, sagte Abu Dun noch einmal. Seine Eisenhand fiel mit einem Laut wie ein Hammerschlag auf die Tischplatte. Kasim zuckte zusammen, als sei er selbst geschlagen worden. »Niemals.«
»Für dich wäre ohnehin nichts Passendes dabei«, schnaubte Corleanis. »Das sind Kleider, keine Zelte.« Ächzend beugte er sich vor, um in dem kunterbunten Durcheinander zu kramen, bis er ein besonders scheußliches Hemd gefunden hatte, das er Andrej zuschob.
»Das dürfte deine Größe sein, Conte«, sagte er.
Andrej starrte ihn an. Alis Grinsen wurde schadenfroh.
»Ein Mann wie du sollte
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