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Nele Paul - Roman

Titel: Nele Paul - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
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»Lies das und ruf mich an. Aber lass dir nicht ewig Zeit damit.« Er ging den Flur hinunter. Ich schaute ihm nach, bis er um die Ecke verschwand. Ich hatte ihn noch nie so wütend gesehen.
    Als ich ins Zimmer kam, schlief Nele immer noch. Ich setzte mich und hörte ihr beim Schlafen zu. Draußen zog der Tag vorbei. Ein schöner Tag. Wahrscheinlich spielten Eltern mit ihren Kindern im Park. Man ging spazieren, joggte, aß im Garten. Ein ganz normaler Tag. Es war, als wäre ein riesiges Ufo vorbeigeflogen, und nur wir hatten es gesehen.

    Nele verschlief den kompletten Tag. Die Ärzte meinten, es läge an dem Beruhigungsmittel, aber für mich wirkte es, als hätte sie sich die ganze Zeit gegen eine Welle der Erschöpfung gestemmt und war jetzt unter ihr zusammengebrochen. Die Müdigkeit lag wie eine bleierne Decke über ihr. Sogar ihre Haut wirkte kraftlos. Ich sah Falten in ihrem Gesicht, die ich noch nie gesehen hatte.
    Abends brachte Mor Essen und was zu lesen. Sie blieb eine halbe Stunde an Neles Bett, während ich mich im Bad frisch machte. Als sie weg war, schaute Karl-Heinz vorbei. Er brachte Blumen von den Kollegen und erkundigte sich nach Neles Wohlbefinden. Er berichtete, dass Rokko und ich berühmt seien, und reichte mir ein paar Zeitungen. Bundesweit waren wir das lustige Dorf bullenduo. Starsky und Hutch für Landeier. Das Foto von Rokko vorseinem zerstörten GT passte da voll ins Bild. Fehlte nur noch ein dämliches Foto von uns beiden. Jemand Debiles hatte der Presse mal einen Schnappschuss von der letzten Faschingsparty verkauft. Rokko war als Sundance gegangen, ich als Butch. Anita hatte sich in Boa und Abendkleid zu unseren Füßen gelegt. Das Foto wurde medial ausgeschlachtet und tauchte noch Jahre später auf, wenn es um echte Polizeilandeier ging. Als krönender Abschluss ließ Hundt mir ausrichten, dass es keine Strafanzeige wegen Brandstiftung geben würde. Karl-Heinz versprach, mir alle Fernsehberichte aufzunehmen, dann grüßte er noch mal von allen und ging.
    Danach schaute Rokko vorbei und blieb lange neben mir sitzen. Wir redeten wenig. Um zwei musste er los, Anita aus dem Schaukelstuhl abholen. Er versprach, morgen wiederzukommen. Ich blieb sitzen. Ich wartete.

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    Der Sommer verabschiedete sich über Nacht. Freitagabend ging man mit offenem Fenster zu Bett. Samstagmorgen wachte man auf und fror. Ein kalter Ostwind bescherte uns die ersten Anzeichen des Winters. Direkt aus dem Sommer in den Winter. Ich versuchte, das nicht als Metapher zu sehen.
    Als Nele am Samstagvormittag aufwachte, hatte sie mehr als dreißig Stunden am Stück geschlafen. Die Sonne schien ins Zimmer, aber auch sie wirkte kraftlos. Ich stand am Fenster und sah hinaus, und als ich dann wieder zum Bett schaute, waren ihre Augen offen. Als sich unsere Blicke trafen, war es, als würde jemand das Licht anschalten. Alles wurde heller und wärmer. Ich merkte, wie meine Mundwinkel auseinanderstrebten, und spürte, wie der Raum voller wurde. Mein Mädchen war wieder da.
    »Hey, Süße, wir sind im Krankenhaus, du bist umgekippt und hast eine leichte Gehirnerschütterung. Das Ding in deiner Nase versorgt dich mit Sauerstoff. Das Ding am Finger misst die Sauerstoffanteile in deinem Blut. Es ist Samstag. Du hast einen ganzen Tag verschlafen. Wie fühlst du dich?«
    Sie leckte sich über die Lippen und hob ihre Hand. Sie besah sich den Fingerclip. Sie betastete den Sauerstoffschlauch und wischte sich vorsichtig über die Mundpartie, dabei befühlte sie mit der Zunge ihre geschwollene Lippe.
    »Groggy«, sagte sie heiser und schien in sich reinzuhorchen. Sie leckte sich wieder über die Lippen. »Durst.«
    Ich holte ihr ein Glas Wasser aus dem Bad, fuhr die Rückenlehne des Bettes hoch, schob ihr ein Kissen in den Rücken und hielt ihr das Glas hin. Sie nahm es kraftlos und trank langsam. Einige Wassertropfen liefen ihr übers Kinn und verschwanden im Ausschnitt ihres Nachthemds. Sie leerte das Glas komplett.
    »Noch eins?«
    Sie schüttelte den Kopf. Ich setzte mich auf den Stuhl. Ihre Augen blieben an meinem verbundenen Arm hängen, dann senkte sie ihren Blick, bevor ich etwas darin lesen konnte, und hob die freie Hand, um ihr Gesicht zu befühlen. Sie fuhr sich über ihre Haare, befühlte vorsichtig die Pflaster, dann fuhr sie weiter zu ihren Augenbrauen, und schließlich befühlte sie die Lippe noch mal. Bestandsaufnahme nach einem Crash.
    »Was ist passiert?«
    »Die Villa ist abgebrannt.«
    Sie sah mich merkwürdig

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