Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nele Paul - Roman

Titel: Nele Paul - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
Vom Netzwerk:
wurde man ihr allerbester Freund, und schon hingen Schwerverletzte stundenlang in der Warteschleife, weil die allerbesten Freunde ständig die Leitungen blockierten. Auf die Art hatte ich Rastamann kennengelernt. Einen szenebekannten Junkie, den ich in einer ruhigen Stunde beraten hatte, wie er sich bei der Drogenhilfe verhalten solle, um seine Chancen zu erhöhen, ins Methadonprogramm aufgenommen zu werden. Das war jetzt vier Jahre her, und er rief immer noch wöchentlich an – immer noch auf Junk und fröhlich vertraut, wenn er mir verriet, dass er scharf auf Halle Berry sei und sie besuchen würde, wenn er die Kohle zusammen hätte, was bestimmt bald der Fall sei.
    Die Neue meldete sich über Funk und fragte, ob ich mir sicher sei, dass ich ihr eben die richtige Adresse gegeben habe. Ich kontrollierte meine Notizen, korrigierte mich und gab ihr die richtige Anschrift durch. Sie tat, als hätte sie sich vorher verhört. Kaum hatten wir das Gespräch beendet, ging Rokkos Kopfschütteln wieder los.
    »Was – willst du mich einbuchten, weil ich mich mal in einer Adresse irre?«
    Er sagte nichts.
    »Gut«, sagte ich. »Du bist doch eh bloß neidisch, weil ich heute Nacht eine Frau im Bett hatte und du nicht.«
    Bevor ihm dazu was einfiel, trat Hundt ins Kabuff. Er trug volle Uniform, trotz der Hitze war der Kragen seinesHemdes ordnungsgemäß zugeknöpft. Obwohl er hager und nur eins fünfundsechzig groß war, wirkte der Raum mit ihm sonderbar voll. Sein Gesicht war ausdruckslos, doch ihn umgab eine deutlich spürbare Aura unterdrückter Aggression. Ein kleiner wütender Mann, jederzeit bereit, die Welt zu schlachten.
    Rokko schob unauffällig eine Zeitung über das Lenkrad, das er manchmal an den PC anschloss, um Formel-1-Weltmeister zu werden, doch Hundt hatte nur Augen für mich. Sein lebloser Haifischblick huschte über meinen nackten Oberkörper und heftete sich dann in meine Augen. Ich spürte die Wut in seinem Blick wie kleine Stromschläge, aber seine Stimme blieb tonlos neutral.
    »Sie haben gestern einen Dienstwagen für Privatzwecke entfremdet und das Einsatzteam geschwächt, ist das korrekt?«
    Einen Augenblick lang wusste ich nicht, wovon er sprach, dann schüttelte ich den Kopf.
    »Nein.«
    Seine buschigen Augenbrauen hoben sich.
    »Nein?«
    »Richtig.«
    Er starrte mich an, ohne zu blinzeln.
    »Haben Sie nun oder haben Sie nicht?«
    »Es kam ein Notruf, dass eine behinderte Mitbürgerin mit ihrem Rollstuhl von der Straße abgekommen war und feststeckte. Ich schickte einen Wagen hin.«
    »Und diese behinderte Mitbürgerin«, seine Stimme troff vor Sarkasmus, »war nicht zufällig Ihre Mutter?«
    »Doch, schon. Aber sie verliert deswegen ja nicht ihre Bürgerrechte.«
    Neben mir atmete Rokko ein. Hundt musterte mich mit seinem Taser-Blick. Ich merkte, dass ich meine Hände umschlungen hielt, und öffnete sie.
    »Wo ist Ihr Diensthemd?«
    Ich zeigte zum Fenster, wo mein Diensthemd neben Rokkos auf einem Bügel hing.
    »Durchgeschwitzt und zum Trocknen aufgehängt.«
    »Wir warten auf die Aircondition«, warf Rokko ein.
    »Seit Längerem«, sagte ich.
    »Seit Jahren«, ergänzte Rokko.
    Hundt ließ seinen Blick durchs Büro gleiten.
    »In Zukunft erwarte ich vorschriftsmäßige Dienstkleidung und einen aufgeräumten Dienstraum.« Sein Kopf wandte sich Rokko zu »Und ein Vibrationslenkrad verbitte ich mir. Haben Sie das verstanden?«
    Er drehte sich um und ging raus. Wir hörten, wie seine Schritte auf dem Flur verhallten. Mir fiel auf, dass ich nichts gehört hatte, bevor er ins Kabuff kam. Wer weiß, wie lange er vor der Tür gestanden hatte.
    Rokko musterte den leeren Türrahmen nachdenklich.
    »Mann, ich kenn da einen, der mal dringend ’ne Nummer schieben sollte.«
    »Ich hätte nie gedacht, dass er weiß, was ein Vibrationslenkrad ist.«
    »Vielleicht jagt er nachts zu Hause Verbrecher. Vielleicht erwischt er da ein paar«, lästerte er, während er sich das Hemd anzog.
    Ich grinste ihn an.
    »Wow, wir reden ja wieder miteinander.«
    Worauf er prompt damit aufhörte. Und dann ging es los. In den folgenden Stunden hörte die Lichterkette gar nicht auf zu blinken. Die Welt nahm Fahrt auf, und wir kamen weder dazu, über Hundt zu lästern, noch dazu, das Thema Frauen zu vertiefen. Ein Ladenbesitzer meldete einen Einbruch. Eine Fußgängerin erlitt bei einer Kollision mit einem PKW leichte Verletzungen. Auf einem Zubringer hatte es einen LKW aus der Kurve geschleudert. Jedes Mal, wenn ich einen Anruf

Weitere Kostenlose Bücher