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Nele Paul - Roman

Titel: Nele Paul - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
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entgegennahm, die Enttäuschung, dass es kein Anruf von zu Hause war. Man hätte mir ruhig stündlicheZwischenberichte liefern können, das wäre nur fair gewesen. So aber zogen die letzten Stunden meiner Schicht an mir vorbei wie eine betrunkene Zugfahrt.

    Als wir auf den flimmernden Parkplatz hinausgingen, fühlte ich mich so frisch und erholt wie lange nicht mehr. Durch das Chaos am Morgen hatte Rokko keinen Parkplatz im Schatten gefunden, der GT hatte den ganzen Tag in der prallen Sonne gestanden. Als wir die Türen öffneten, kam uns ein glühend heißer Luftschwall entgegen, der uns nach Luft schnappen ließ. Die Recaro-Sitze kochten, nur die lange Hose rettete mich vor Verbrennungen dritten Grades. Ich kurbelte mit spitzen Fingern das Beifahrerfenster runter.
    »Also, wie willst du das mit Anita einrenken?«
    Statt zu antworten, schob er den ersten Gang rein. Als er losfahren wollte, kam Schröders Dienstwagen auf den Parkplatz gerollt. Die Neue saß hinter dem Steuer, Schröder saß auf dem Beifahrersitz und sah unglücklich aus. Noch bevor der Motor richtig aus war, flog die Beifahrertür auf, und Schröder kam wütend auf uns zumarschiert. Er blieb vor meinem Fenster stehen.
    »Sag mal, biste im Arsch oder was? Was sollte die Scheiße mit der falschen Adresse? Wir sind in der Scheißhitze rumgelaufen wie die kackverdammten Idioten!«
    Er stand in der prallen Sonne und schwitzte. Ein kleiner dicker Mensch, dem sein Hemd am Oberkörper klebte wie ein nasses Zelt. Darüber thronte die trockene Perücke auf seinem roten Schädel wie ein Vogelnest auf einem Feuermelder.
    »Ist die Orientphase vorbei?«
    Er starrte mich aufgebracht an.
    »Was laberst du da?«
    Ich lächelte freundlich.
    »Ich meine, wird das jetzt so ’ne schlichte Scheißkackphase? Die Orientphase fand ich irgendwie origineller.«
    Er schnappte nach Luft. Hinter ihm stieg die Neue aus dem Dienstwagen. Ihr Hemd war fast trocken, die Hose sah aus wie gebügelt, und sie trug eine verspiegelte Sonnenbrille. Sah cool aus.
    »Mund zu«, sagte ich, ohne Rokko anzuschauen.
    »Echt«, sagte Schröder und watschelte in Richtung seines Privatwagens, eines alten Fords, der ebenso ungesund aussah wie er.
    Ich bezweifelte, dass diese Masche ihm bei der Neuen Punkte einbrachte, aber vielleicht hatte er sein Blatt sowieso schon verspielt, denn von hinten sah seine Hose aus, als hätte er es zwischendurch laufen lassen.
    Die Neue blieb vor meinem Fenster stehen. Ich nickte ihr zu.
    »Ich weiß, es ist verlockend, aber ich muss Sie warnen – kein Sex mit Kollegen. Da sind wir hier streng.«
    »Danke für die Warnung«, sagte sie, ohne eine Miene zu verziehen. »Aber ich kann den Kollegen verstehen. Im Ernstfall wären wir zu spät gekommen.«
    »Tut mir leid.«
    »Kann mal vorkommen.« Ihre Lippen kräuselten sich etwas. »Schönen Feierabend.«
    »Ihnen auch.«
    Sie nickte Rokko zu, drehte sich um und verschwand federleichten Schrittes im Gebäude. Ich sah zu Rokko rüber. Sein Blick klebte an der Tür, hinter der sie verschwunden war. Ich räusperte mich, und er schob den Gang rein, als Schröder gerade seinen Wagen aufschloss, der ebenfalls den ganzen Tag in der Sonne gestanden hatte.
    Wir drehten uns auf unseren Sitzen und beobachteten durch das Heckfenster, wie Schröder in den Ford stieg, die Tür zuzog und die Hände dann aufs heiße Lenkrad legte. Sogar durch die geschlossene Tür hörte man seine Flüche. Wir grinsten uns an, Rokko trat das Gaspedal durch, und wir schossen vom Parkplatz.
    Als wir uns auf der Landstraße in den Verkehr eingefädelt hatten, warf er mir einen Blick zu.
    »Du gräbst die Neue an, obwohl Nele wieder da ist?«
    »Nein, ich bin bloß nett.«
    »Typisch«, murmelte er. Er überholte zwei Fahrzeuge und scherte kurz vor dem Gegenverkehr wieder in unsere Spur ein. »Und wenn ich mal nett bin, gibt es gleich einen Aufstand.«
    »Weil du immer Hintergedanken hast, beziehungsweise, Vordergedanken.«
    Er zog eine Grimasse, als hätte er in einen Cheeseburger gebissen und dort ein Ohr gefunden.
    »Na und? Was ist eigentlich so schlimm daran, dass ich noch keine Kinder will? Ich meine, schau dich um, die Leute in unserem Alter haben alle Kinder und Häuser und …« Er überholte einen weiteren Wagen und setzte sich kurz davor in eine Lücke, in der ein Smartfahrer klaustrophobische Anfälle bekommen hätte. »… keiner von denen hat je Zeit für irgendwas. Sie können nicht ausschlafen, nicht verreisen, alles ist sauteuer, sie

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