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Nele Paul - Roman

Titel: Nele Paul - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
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den Hügel runterrollte. Ich schlug Rokko auf die Schulter.
    »Geht doch.«
    Rokko hatte Maximilian zum Abschied bloß schweigend die Hand gedrückt und ihm dabei fest in die Augen geschaut. Maximilian dagegen hatte Rokko auf die Schulter geklopft, ihn einen tollen Kerl genannt und war dann lachend zu Anita gegangen, um sie zum Abschied auf den Mund zu küssen. Und lebte noch.
    Rokko starrte dem Mazda nach, bis er auf die Landstraße eingebogen war, dann verschwand er ins Haus. Wenig später hörte man Mottek-Schläge. Sie klangen schnell und kräftig. Ich sah Anita an.
    »Willst du erst Blut sehen?«
    Sie schickte mir ein schönes Lächeln.
    »Er überlebt das schon.«
    »Ja, klar«, sagte ich, »aber die anderen nicht.«
    Sie lächelte und begann wieder, Möbelstücke in den Container zu werfen. Nele drückte mir im Vorbeigehen einenKuss auf den Mund. Ich ging zurück ins Haus, bevor Rokko es komplett abriss.

    Am Nachmittag schmerzten mein Nacken, meine Schultern, meine Beine und mein Rücken. Ich hatte mich mit Rokko am Hammer abgewechselt. Er hatte sich abreagiert, und ich hatte dem Ganzen hier und da einen i-Punkt zugefügt, was dem Haus gut bekommen war. Die Küchenwand hatte sich in Trümmer aufgelöst, die Küche war komplett geräumt, und falls noch ein paar Wände wegmussten, würde ich einfach MAX draufschreiben und Rokko mit dem Mottek alleine lassen. Er war immer noch nicht drüber weg.
    Während wir verschnauften, rief Nele uns zum Essen. Wir wuschen uns, so gut es ging, mit Mineralwasser, setzten uns an den gedeckten Gartentisch und besprachen das Problem der Sanitärsituation. Nele schlug ein Dixi-Klo vor, aber davon wollte Mor nichts wissen. Sie würde doch nicht fünf Sterne kochen und sich dann so ein hässliches Plastikteil neben das Haus stellen. Sie wollte eine funktionierende Toilette, basta.
    Wir einigten uns auf Verhandlungspause und fielen über die Leckereien her. Wir tunkten Chips in Soßen, schmierten Kräuterbutter in Fladenbrote, stopften sie mit Salat und schwelgten. Heute verliebte ich mich in die Kombination von in Kamille gekochten Kartoffeln, getunkt in eine Pfefferminz-Sahnesoße. Mors Soßen hätten sie berühmt machen sollen. Sie behielt uns im Auge, während wir uns vollstopften, und sackte lächelnd Komplimente ein. Solange wir aßen, wankten die Kids schwer bepackt an uns vorbei und entsorgten kaputte Möbel und anderen Plunder in die Container. Ich musste zugeben, sie ließen sich nicht hängen. Man bekam fast Schuldgefühle, sich den Bauch vollzuschlagen, während sie schwitzend vorbeitaumelten.
    Mor schaute ihnen nach.
    »Ist das nicht Benni? Der Sohn vom alten Haase?«
    »Er und seine Kumpels helfen ein bisschen«, erklärte ich ihr.
    »Erziehungscamp«, fügte Rokko hinzu. »Macht mal Pause!«, rief er rüber. »Der Krach stört beim Essen!«
    Er grinste, bis ihm die Blicke der Mädchen auffielen. Ich nickte ihm anerkennend zu. Jaja, da hatte er sich den ganzen Tag zusammengerissen, um sich dann kurz vor Feierabend mit einer einzigen Sache abzuschießen.
    Wenig später saß unser Erziehungscamp auf Eimern, Bierkästen und Kartons um den Gartentisch herum und mampfte, was das Zeug hielt. Sie warfen Mors Stumpf neugierige Blicke zu, tauschten hier und da mal einen Blick, doch es wurde weder gekichert, noch wurden irgendwelche stummen Botschaften versandt. Vielleicht waren sie reifer, als sie aussahen.
    Bienen summten träge um uns herum. Über uns bewegten sich die Blätter der Buche. Es roch nach Essen, Gras, Weizen, Sommer, Gewürzen und Ewigkeit. November lag zu meinen Füßen und stieß immer mal wieder seine Schnauze gegen mein Knie, um die Lage zu testen. Neles Hand lag auf meinem Oberschenkel. Es schien, als hätte jemand die Uhr angehalten, um uns diesen Augenblick als Jahresring zu verewigen.
    Kaum war der letzte Bissen vertilgt, standen die Kids auf und bedankten sich für das Essen. Sie hatten die Rechnung ohne die Küchenchefin gemacht, die noch ein paar Desserts auspackte. Viel Überredungskraft brauchte sie nicht, die Kids stürzten sich auf das Süße. Während sich alle von Modelkarrieren verabschiedeten, begann Mor summend das Besteck zusammenzuräumen. Sie wirkte glücklicher, als ich sie seit Langem gesehen hatte. Es klang wie Somewhere Over the Rainbow .
    Schon bald waren Nele und Anita mit Terzen und Quinten dabei. Rokko schob seinen Teller beiseite, legte die Hände auf den Tisch, schlug mit den Fingern aufs Holz und stiegtaktvoll ein. Ich imitierte

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