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Nele Paul - Roman

Titel: Nele Paul - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
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selbst?«
    »Wie ein Baby.«
    »Nichts geträumt?«
    Sie horchte kurz in sich rein und schüttelte den Kopf. Sie lächelte.
    »Wahrscheinlich war ich sogar dafür zu müde. Ich bin ziemlich schnell eingeschlafen, oder?«
    »Schlagartig, würde ich sagen. Ich hab’s nicht gleich gemerkt.«
    »Oh.«
    Sie senkte ihren Blick und wurde allen Ernstes rot. Ich ließ den Hammer fallen, packte sie und zog sie an mich. Während ich meine Lippen auf ihre presste, dachte ich: lebenslänglich . Das Wort erschien in Blockbuchstaben auf der Innenseite meiner Augenlider. Anscheinend bekam ich jetzt Untertitel, damit ich ja auch mitbekam, wie hinüber ich war.
    Das Ganze endete damit, dass ich sie loslassen musste, um Luft zu holen. Wir starrten uns atemlos an. Bloß so einweiterer Augenblick. Draußen kläffte November. Irgendwo schrie ein Vogel. In einer Villa auf einem Hügel stand ein Mann und sah eine Frau an.
    Sie lächelte. Mittendrin musste sie gähnen und warf einen Blick an mir vorbei auf die Überreste der Küchenwand.
    »Sieht gut aus.«
    »Nicht?« Ich schnappte mir den Mottek und verpasste der Wand einen weiteren Schlag. Ein Stück Rigips brach raus und fiel zu Boden. »Willst du auch mal?«
    Sie winkte ab.
    »Zu anstrengend.«
    Sie stellte die Tasse ab und begann, die herausgebrochenen Wandstücke aus dem Fenster zu schmeißen, wo sie mit einem metallischen Scheppern im Container landeten. Ich machte mich wieder daran, die Wand zu bearbeiten.
    Irgendwann kam Anita herein. Ich erklärte ihr, dass man hier bald Sonne von drei Seiten haben würde. Man könne dann quasi in Licht baden. Der Anblick würde imposant. Sie würdigte die Sache kaum eines Blickes und begann, Nele zu helfen. Dass sie ohne Rokko auftauchte, war ein schlechtes Zeichen. Anscheinend ließ sie ihn immer noch zappeln. Rokko hatte sich schon oft danebenbenommen, eigentlich kannte ich die beiden kaum anders als frisch versöhnt. Aber diesmal schien es irgendwie anders zu sein. Ich hoffte nur, dass auch Rokko das bemerkte. Als der GT draußen vorfuhr, war es bereits nach neun. Es kotzte mich an. Ich ließ den Hammer fallen und eilte raus. Bevor er den Motor ausstellen konnte, saß ich schon auf dem Beifahrersitz.
    »Fahr.«
    Er verharrte mit der rechten Hand auf dem Zündschlüssel und sah mich fragend an.
    »Wohin?«
    »Benni wollte um neun hier sein, um seinen Scheiß wegzumachen.«
    Er brauchte einen Augenblick, dann grinste er.
    »Und jetzt holen wir ihn zu Hause ab?«
    »Falls du heute noch losfährst.«
    Er schob den ersten Gang rein, und im selben Moment kam ein weißer Mercedes 500S auf den Hof gerollt. Er hielt direkt vor der Haustür. Der Motor erstarb, die Tür öffnete sich, und Benni stieg aus. Er trug eine Markenlatzhose, eine zu große Baseballkappe verkehrt rum und eine Goldkette. Seine Haare sahen bereits verschwitzt aus. Der volle Getto-Rapper-Arbeiter-Style.
    »Ein weißer 500er …«, murmelte Rokko.
    »Und, he, damit fährt er zur Arbeit …«
    Rokko sah mich an. Ich sah ihn an. Wir stiegen aus. Benni stand neben seinem Wagen und grüßte uns mit einem Kopfnicken, beide Hände in den Taschen seiner zweihundertfünfzig Euro teuren Arbeitshose.
    »Moin.«
    Er schaute uns seelenruhig an und fühlte sich den Dingen sichtlich gewachsen. Ich hatte Lust, ihm eine zu scheuern. Die Arroganz der Jugend war noch nie mein Freund gewesen, vor allem, seitdem ich selbst nicht mehr der Jüngste war.
    »Du bist zu spät.«
    Er lächelte blasiert.
    »Besser spät als nie.«
    »Ach, Scheiße«, knurrte Rokko und sah mich an. »Soll ich seinen Wagen untersuchen? Ich wette, ich finde was.«
    Darauf würde ich auch wetten, denn er hatte Benni schon länger auf dem Kieker. Es war die Abneigung eines erfahrenen Platzhirsches, der instinktiv seinen Nachfolger erkannte. Benni stand am Anfang seiner Frauenheldkarriere und hatte beste Chancen, nicht nur in Rokkos Fußstapfen zu treten, sondern dem gesamten Landkreis seine ganz eigenen Abdrücke zu verpassen. Er sah nicht nur gut aus, sondern würde auch noch Millionen erben. Man staunte, wen er damit jetzt schon alles beeindrucken konnte, undauch wenn er noch jung war – an Selbstsicherheit mangelte es ihm nicht. Weiß Gott, der kleine Arsch hatte sogar mal Anita angebaggert. Wenn Rokko das je rausbekam, gäbe es einen Mordfall. Komisch, dass mir das ausgerechnet jetzt einfiel …
    »Komm mit«, sagte ich.
    Wir gingen ins Haus. Benni folgte uns lässig und gelangweilt. Er kommentierte nicht mal den Geruch.

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