Nele Paul - Roman
Vielleicht hatte er sich in den letzten Monaten schon daran gewöhnt. Vielleicht war er die Ursache. Dieser Gedanke ließ mich die Fäuste ballen.
Ich öffnete die Tür zum Schlafzimmer. Benni folgte mir in den Raum, Rokko ebenfalls. Ich wandte mich Benni zu.
»Luftmatratze gefunden?«
»Kein Problem«, sagte er und schaute sich um. Ihm war nicht die kleinste Unsicherheit anzumerken. So etwas passierte, wenn man reiche Kinder in dem Glauben erzog, dass es keinen noch so großen Schlamassel gab, aus dem man sich nicht freikaufen könnte.
Ich zeigte in die Runde.
»Viel Spaß.«
»Wobei?«, fragte er.
Ich ließ meinen Zeigefinger durch den Raum schwingen. »Der ganze Müll muss raus, und dann werden die Räume gestrichen. Danach reden wir über die Erbstücke, die du mutwillig zerstört hast. Die Sachen, die du kaputt gemacht hast, kannst du behalten.«
»Wie – behalten?«
»Na, sie gehören dir. Mach einen Flohmarkt. Ist eine interessante Erfahrung, eigenes Geld zu verdienen.«
Er sah mich an. Dann wandte er sich an Rokko, hob seine Hände und zeigte ihm seine Handflächen.
»Okay, Freunde. Ich geb ja zu, dass ich mal im Haus war, aber ich hab doch nur Müll angesprayt. Es war alles schon kaputt, als wir hier ankamen.« Nach ein paar Sekunden gaber es auf, Rokko beeindrucken zu wollen, und sah wieder mich an. »Dass ich hier bin, ist ein Zeichen von Goodwill. Also, warum versuchen wir nicht, eine faire Lösung zu …« Rokko sah mich an.
»Hat der mich geduzt?«
Ich zog die Schultern hoch.
»Jedenfalls behauptet er, dass ihr Freunde seid.«
Rokko ließ Benni ein paar Sekunden warten, bevor er ihn wieder anstarrte. Sein Schützenfestblick.
»Für dich immer noch Sie, du Kiffer.«
Jede Silbe schwer wie ein Backstein.
»Wie Sie meinen.« Benni zeigte wieder seine Handflächen. »Alles gut.«
»Ach, wirklich? Das eben war ein glattes Schuldeingeständnis.«
Benni lächelte.
»Ich denke, der Anwalt meines Vaters würde das anders sehen.«
Rokko ging einen Schritt auf ihn zu und senkte die Stimme.
»Aber der Scheißanwalt deines Scheißvaters ist nicht hier. Hier sind nur wir.«
Benni trat einen halben Schritt zurück. Weiter konnte er nicht, da war die Wand. Vielleicht wäre er aber auch so stehen geblieben, denn er lächelte noch immer.
»Böser Bulle, böser Bulle, ich kenn den Film.«
Rokko starrte ihn sekundenlang an, dann ging er einen Schritt zurück. Die Tür schwang zu. Ohne Benni aus den Augen zu lassen, griff er hinter sich und berührte den Lichtschalter. Der Raum wurde dunkel. Durch die besprayte Fensterscheibe fielen ein paar schüchterne Sonnenstrahlen herein, doch sie verkümmerten auf halber Strecke. Von draußen hörte man ein paar Geräusche, aber die fanden in einer anderen Welt statt, in einer Welt, die voller Licht war.
Als Rokko das Licht wieder anknipste, kam Bennis Lächeln nicht mehr ganz so flüssig. Rokko starrte ihn mit vorgestrecktem Kopf an.
»Dich mochte ich noch nie.«
»Rokko? Lässt du uns bitte kurz allein?«
Rokko starrte Benni etwa zwanzig Sekunden lang an. Dann wandte er sich ab und ging raus. Benni fing sich ein bisschen, und als ich mich ihm zuwandte, hatte er schon fast wieder zu seiner alten Arroganz zurückgefunden.
»Also, das ist der Deal: Das Haus besenrein, gestrichen und eine faire Summe für den entstandenen Schaden. Sobald das Haus hergerichtet und der Betrag überwiesen ist, vergessen wir die Schweinerei und verzichten auf eine Anzeige.«
Er holte Luft. Ich schüttelte den Kopf.
»Und bevor du jetzt was Blödes sagst, erklär ich es dir noch mal: Das hier ist das Elternhaus meiner großen Liebe. Meiner ersten und größten und letzten Liebe. Der Frau meines Lebens. Und du hast hier drinnen mit Farbe herumgespritzt, und was weiß ich nicht noch alles. Ich möchte, dass du bedenkst, was für ein beschissenes Gefühl das für sie ist. Mir ist danach, deiner Bonzenkarre ein kleines Päckchen unterzujubeln oder dich mit Rokko alleine zu lassen. Aber ich werde es nicht tun, und weißt du warum? Weil jeder mal einen Fehler macht, und du hast jetzt die Chance, alles wiedergutzumachen.«
Er sah sich um und zeigte auf den Müllhaufen.
»Ich bin aus dem Schneider, wenn ich den Müll beseitige und den Schaden ersetze?«
Ich nickte.
»Kein Problem«, sagte er und zückte sein Handy.
War es doch, denn ich wollte nicht, dass er mit Papas Kohle eine Firma beauftragte, also machte ich ihm klar, dass ich ihn persönlich schuften sehen wollte, sonst
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