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Nele Paul - Roman

Titel: Nele Paul - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
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mit einem Kragehop aus der Luft. Es sah zum Schießen aus. Die nächste warf Anita. Sie gab erst gar nicht vor, auf mich zu zielen. November schnappte sich das Ding aus der Luft. Die Situation geriet außer Kontrolle. Während sie November wie Tenniskanonen beschossen, schnürte ich mir die Schuhe.
    Meine Waden meckerten, als ich den Hügel hochlief. Renovieren schien eine ganz eigene Kondition zu verlangen. Die Insekten waren auch nicht in Topform. Die dicken Brummer waren wie besoffen von der Hitze und stießen frontal gegen mich, bevor sie wütend summend wieder Fahrt aufnahmen.
    November folgte mir ebenso steif beinig. Normalerweise aß er nur, bis er satt war, aber den Leckereien aus den Händen lachender Mädchen hatte er nicht widerstehen können. Er trottete mit hängendem Kopf neben mir her. Es fehlte nicht viel, und seine Nase hätte eine Rille im Sand hinterlassen. »Jaja – Mädchen!«, erklärte ich ihm. »Bist nicht der Erste, der da mal durchhängt.«
    Er schaute kurz zu mir hoch, dann ließ er den Kopf wiederhängen wie ein depressiver Spürhund. Ich lief an der Baustelle vorbei, steuerte den Weg zum Steinbruch an und behielt dabei das Gebüsch im Auge, man wusste ja nie.
    Ich schaffte es rechtzeitig zum Felsen, gerade als die Sonne restlos vom Horizont verschwand. Außer mir waren bloß ein paar Angler da, die in den Klippen ihr spätes Glück suchten. Ich blieb stehen und schaute zu, wie die Schatten über das glitzernde Wasser krochen und die Diamanten auslöschten. Der See war gerade dunkel geworden, als ich die federleichten Schritte hörte. Die Sohlen schienen kaum den Boden zu berühren. Effektiver, kontrollierter Lauf. Sie musste einen guten Jugendtrainer gehabt haben.
    Die Neue blieb neben mir stehen. Sie trug ein gelbes Top, halblange Basketballhosen und gute Laufschuhe sowie die obligatorische Baseballkappe, aus der ihr Pferdeschwanz hervorlugte. Ihre Haut glänzte vor Schweiß, aber auch diesmal ging ihr Atem leicht, und sie roch angenehm nach Zitronenöl.
    Sie schob sich den Kopfhörer vom Ohr und schaute über den dunklen See.
    »Schon wieder zu spät.«
    »Überstunden?«
    »Verschlafen. Ich bin ständig müde. Ich muss mich erst an die Landluft gewöhnen.« Sie senkte ihren Blick. »Was ist mit dem Hund?«
    Ich warf einen Blick runter. November lag neben meinen Füßen wie ein platter Sack. Sah aus, als müsste ich ihn nach Hause tragen.
    »Vollgefressen.«
    Ihr Gesicht wurde weicher, als sie ihn musterte.
    »Wenn ich bleibe, lege ich mir auch einen zu.«
    »Sie wollen uns schon wieder verlassen?«
    Sie zuckte die Schultern.
    »Kollege Hundt mag keine weiblichen Kollegen.«
    »Doch, doch«, winkte ich ab. »Er hasst nur die, die seinenJob besser machen als er.«
    »Können ja nicht wenige sein.«
    »Das ist ja das Problem.«
    Wir lächelten uns an. Sie gefiel mir. Ein Wink des Schicksals, dass sie ausgerechnet jetzt auftauchte, wo Nele wieder da war. Ich stellte mir vor, was passiert wäre, wenn wir uns vor einem Monat oder auch nur einer Woche kennengelernt hätten, und dann wäre Nele plötzlich aufgetaucht. Schmerzhafte Entscheidungen. Verletzungen. Aber so war es nicht. Es war eben nicht immer wie in Mors Serien, wo ständig das größtmögliche Drama passierte. Das Leben war nicht so.
    Sie sah auf das dunkle Wasser. Ich wartete darauf, dass sie mich auf das Sommerhaus ansprach, aber sie schien sich damit zu begnügen, aufs Wasser zu schauen.
    »Und, mal wieder einen Kollegen im Gebüsch getroffen?« »So viel Zeit lässt sich niemand mehr. Man trifft sich zufällig beim Einkaufen, zufällig auf der Straße und zufällig vor meinem Haus. Vorgestern traf ich Kollege Klaasen auf dem Weg zur Arbeit. Er hatte ein nagelneues Hollandrad unterm Hintern und wollte eine Fahrgemeinschaft mit mir gründen. Beim Versuch mitzuhalten, ist er fast gestorben.«
    Telly auf einem Fahrrad? Die Vorstellung ließ mich schaudern.
    »Darf ich Ihnen einen Tipp geben? Picken Sie sich einen raus. Der beschützt Sie dann gegen die anderen, und irgendwann lieben Sie ihn.«
    Sie schaute mich an. Ich nickte.
    »Das funktioniert immer in den Western, die ich lese.«
    »Danke für den Tipp, aber ich favorisiere da eher die Darwin-Strategie: Ich spiele sie alle gegeneinander aus, und wenn sie sich gegenseitig umgebracht haben, nehme ich den Sieger.«
    »Wenn sich alle gegenseitig umgebracht haben, gibt’s keinen Sieger.«
    »Doch«, sagte sie. »Mich.«
    Ihr helles Lachen perlte über den See. Ich grinste sie

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