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Nele Paul - Roman

Titel: Nele Paul - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
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an.
    »Sie bringen halt Schwung in die Sache. Das halbe Revier joggt plötzlich, im Dorf sind die Laufschuhe ausverkauft. Sie sollten Provision verlangen.«
    »Sie bringen mich auf Gedanken«, lachte sie. »Wenn Hundt mich rausekelt, komme ich zu Ihnen, dann machen wir Geschäfte. Ich laufe, sie verkaufen Ferngläser an der Strecke, und wir machen fifty-fifty.«
    Fast hätte ich ihr vorgeschlagen, oben ohne zu laufen und die Preise zu verdoppeln, aber seit Neles Sprint wusste ich, dass Nacktjoggen bei Frauen so eine Sache war. Stattdessen wartete ich weiterhin darauf, dass sie mich fragte, ob ich mit Nele ins Ferienhaus eingebrochen war. Sie fragte nicht. Sie gefiel mir immer besser.
    Sie raffte sich auf.
    »Kommen Sie mit um den See?«
    »Nein, ich laufe zurück.«
    »Grüßen Sie Ihre Mutter von mir.«
    »Mach ich. Übrigens, sie wird übermorgen sechzig, wir machen ein Sommerfest. Alle Junggesellen der Gegend auf einen Haufen. Kommen Sie vorbei, und bestaunen Sie das Angebot, dann haben Sie es hinter sich.«
    Sie grinste.
    »Klingt verlockend.«
    »Jaja, Sie wissen ja, besser ein Ende mit Schrecken …«
    »Danke. Sagen Sie Ihrer Mutter, dass ich die Einladung gerne annehme.«
    »Da wird sie sich freuen.«
    »Gut.« Sie lächelte. »Also. Bis morgen.«
    »Und nicht die Hoffnung verlieren – mit jedem Jahr, das Sie hierbleiben, werden Telly und Schröder attraktiver …«
    »Sie machen mir Angst.«
    Sie schob die Kopfhörer übers Ohr und lief los. Man hörte kaum, wie sie auftrat. Mit jedem Schritt wippte ihrPferdeschwanz. Ich musste an Neles Haarschopf denken. In zwei, drei Jahren würde er wieder ganz der alte sein.

    Als ich auf den Hof lief, war es bereits dunkel. Der GT stand nicht mehr vor dem Haus, und auch der Garten war leer. Dafür flimmerte das Licht des Fernsehers aus dem Wohnzimmer. Ich warf einen Blick hoch zur Villa und sah, dass wir vergessen hatten, das Licht auszumachen. Für einen Augenblick überlegte ich, den Schlüssel zu holen und wieder hochzulaufen. Ich hatte keine Lust. Ich öffnete das Fliegengitter und ging in die Küche, in der es immer noch nach Essen roch. November schleppte sich mit letzter Kraft zu seiner Decke und fiel ins Hundekoma. Sprich, er war unfähig, eine Pfote zu bewegen, es sei denn, jemand öffnete den Kühlschrank. Ich setzte Teewasser auf und ging mit der Weinflasche ins Wohnzimmer, wo Mor in ihrem Sessel saß. Sie war bei einer Sendung über Politik eingeschlafen. Ich füllte ihr Glas, brachte die Flasche zurück, ging die Treppe hoch und trat lächelnd in mein Zimmer.
    »Na, wie …«
    Das Zimmer war leer. Ich ging wieder raus auf den Flur und klopfte an die Badezimmertür. Nachdem ich zehn Sekunden gewartet hatte, drückte ich die Tür auf und warf einen Blick hinein. Leer. Ebenso wie das Gästezimmer. Waren die Ratten losgezogen, ohne auf mich zu warten? Wir hatten überlegt, vielleicht noch in den Schaukelstuhl zu fahren. Aber ohne mich? Nein. Es musste einer von ihren Scherzen sein.
    »Will jemand einen Tee?«, fragte ich.
    Wollte keiner. Ich ging wieder runter in die Küche, machte den Tee und schaute den Hügel hinauf. Das Licht brannte immer noch. Waren sie noch mal da hochgegangen? Aber wo war dann der GT? Waren Rokko und Anita nach Hause gefahren und hatten Nele in der Villa alleine gelassen? Mich beschlich ein merkwürdiges Gefühl.
    Ich rief Nele an. Mailbox. Ich rief Rokko an. Mailbox. Ichrief Anita an. Mailbox. In jedem anderen Augenblick hätte ich mich für die beiden gefreut. Ich starrte zur Villa hoch. Irgendwas stimmte nicht.
    Ich schnipste mit den Fingern. Novembers Ohren zuckten hoch, und er öffnete ein Auge, mehr gab es bei ihm nicht zu holen. Ich ging los. Ein klarer Sternenhimmel wies mir den Weg. Das schlechte Gefühl nahm zu. Schon bald rannte ich, und je näher ich der Villa kam, desto stärker wurde das Gefühl.
    Die Haustür stand offen. Ich lief durch den Flur ins Wohnzimmer und rief Neles Namen, halb darauf gefasst, Rokko dreckig lachend in einer Ecke sitzen zu sehen. Was ich sah, war Nele. Sie saß auf dem Küchenboden. Sie hatte sich in der hintersten Küchenecke zusammengekauert und sich einen blauen Müllsack über den Oberkörper gezogen. Nur ihre Füße schauten hervor.
    Ich ließ mich auf die Knie fallen.
    »He, was ist? Spielst du Verstecken?«
    Ich zog an dem Plastik. Nele hielt fest. Ich zog fester, der Müllsack riss auf, ihr Gesicht wurde sichtbar. Sie starrte mit stumpfem Blick an mir vorbei ins Nichts. Ihre Augen waren

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