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Nele Paul - Roman

Titel: Nele Paul - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
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genervt hatte. Das war eins von insgesamt vier Malen, dass ich sie wütend gesehen hatte. Im Sandkasten, auf dem Schulhof, kurz bevor sie wegging und heute Nacht. Viermal in all den Jahren. Wutanfälle gehörten einfach nicht zu ihr, und erst recht keine wie der letzte Nacht. Ich klammerte mich an die Vorstellung, dass Telly versucht hatte, sie anzumachen, und sie besoffen ausgerastet war, aber in meinem Innersten saß ein Teil von mir ruhig da und wartete, dass ich meinen Verstand einschaltete. Telly war ein Schisser, er würde sich nie trauen, Nele anzumachen.
    Ihr Arm bewegte sich. Sie seufzte. Ihre Augenlider flatterten. Ich küsste ihre Nasenspitze.
    »Guten Morgen.«
    Sie öffnete die Augen.
    »Morgen.« Die Andeutung eines Lächelns, dann verzog sie ihr Gesicht und stöhnte. »Ohhh …« Sie kniff die Augen zusammen und drückte ihre Hände gegen die Schläfen.
    »Aspirin, Kaffee oder einen Eimer?«
    »Einen Eimer Kaffee«, stöhnte sie. »Und zehn Aspirin.«
    »Gut«, sagte ich und rutschte aus dem Bett. »Dann auf in die Küche.«
    Sie zog eine neue Grimasse, kniff ein Auge zusammen und sah mich mit dem anderen mitleidheischend an.
    »Bring es mir ans Bett, ja? Bitte … mir ist echt schlecht.«
    Ich schüttelte meinen Kopf.
    »Wir lassen Mor heute nicht alleine frühstücken. Außerdem: Wer saufen kann, muss auch frühstücken können. Komm.«
    Sie zog eine Schnute und wollte was sagen, dann blieb ihr Blick an meiner Nase hängen.
    »Was ist mit deiner Nase?«
    Ich sah sie an.
    »Du weißt nicht, was mit meiner Nase ist?«
    »Nein«, murmelte sie und begann, mit den Handballen auf ihrer Stirn zu kreisen. Ich suchte in ihrem Blick nach Erinnerungen und fand nichts als Fragezeichen.
    »Du bist wieder umgekippt und hast mich an der Nase erwischt.«
    Sie starrte meine Nase an, kniff die Augen zusammen und rutschte mit den Handballen zu ihren Schläfen.
    »Herrje, das tut mir leid.«
    »Ach was, kein Problem, jeder trinkt mal einen über den Durst und schlägt dann jemanden zusammen. Rokko hat das schon tausendmal getan.«
    Ihre Hände hörten auf zu kreisen. Ihre Augen öffneten sich.
    »Zusammenschlagen?«, fragte sie verwirrt. »Wieso denn zusammenschlagen?«
    »Kannst du dich gar nicht an gestern Abend erinnern?«
    »Doch klar, wir haben gespielt und getanzt, und dann wurde mir schlecht von der Bowle. Scheiß alkohol!« Sie verzog ihr Gesicht und blinzelte mich aus einem Auge an. »Was ist dann passiert?«
    »Du hast Telly ein paar verpasst.«
    »Telly …? Ich dachte …« Sie sah meine Nase an. »Gott, wieso denn Telly??«
    »Das frag ich dich. Denk doch mal in Ruhe nach. Was weißt du noch von gestern Abend so ab dem Konzert?«
    Sie stöhnte.
    »Ich kann jetzt nicht denken.«
    »Versuch’s.«
    Ihre Pupillen rutschten nach rechts oben. Nach ein paar Sekunden schüttelte sie vorsichtig ihren Kopf.
    »Totaler Blackout.«
    »Super«, sagte ich.
    Sie massierte sich die Schläfen.
    »Wenn das hier Versteckte Kamera ist, bitte nicht. Ich bin gerade nicht in Form.«
    Fast hätte ich gelacht.
    »Machst du Witze? Wenn hier jemand veräppelt wird, dann ich.«
    »Ich veräppel dich nicht, ich schwör’s, ich kann mich an nichts erinnern.« Sie massierte ihre Schläfen, dabei schloss sie die Augen ein wenig. »Hat es jemand mitbekommen?« »So circa alle, die noch da waren.«
    »O nein.« Sie schnitt eine Grimasse. Sie zog sich die Bettdecke übers Gesicht. »O nein!«
    »Ach, komm«, sagte ich, »es gibt Schlimmeres, als einen Bullen auf der Geburtstagsparty seiner Schwiegermutter zu verprügeln.«
    »Hör auf«, jammerte sie. Sie zog die Decke so weit herunter, dass ihre Augen hervorlugten. »War es schlimm?«
    Ich sah sie bloß an.
    »O Gott«, sagte sie und verschwand wieder unter die Decke.
    Ich versuchte, ruhig zu bleiben.
    »Süße, jetzt mal im Ernst, schau mich mal an.«
    Die Decke bewegte sich nicht. Ich sprach weiter.
    »Das war bereits das zweite Mal, dass du einen Filmriss hattest. Ich kenne dich so nicht. Ist dir so was schon mal passiert? Ich meine, hast du solche Aussetzer schon vorhergehabt? Ist so etwas auch in Amerika vorgefallen?«
    Die Decke bewegte sich horizontal. Ich nahm das als Kopfschütteln.
    »Was ist dann mit dir? Wenn du mir was verschweigst, dann hör auf damit. Ich kann so was nicht. Sag’s einfach, ja? Bist du krank?«
    Die Decke blieb einen Moment ruhig. Dann glitt sie runter bis zur Nase. Ihre Augen musterten mich.
    »O Mann …«, murmelte sie. Ihre Brust hob und senkte sich

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