Nele Paul - Roman
funkelte mich an.
»Klar ist er der Vater, du Hirn! Was glaubst du denn?!«
»Und wieso sagst du ihm dann nichts?«
Sie warf wieder einen Blick zur Tanzfläche.
»Ich will nicht, dass er sich deswegen anders verhält. Er ist in Probezeit. Und wenn er noch ein einziges Mal Mist baut, ziehe ich sein Kind ohne ihn auf.«
»Äh … also, äh … Das ist hart.« Die Rache verletzter Frauen überstieg schon immer meinen Horizont. Ich rechnete kurz. »Aber, hm, bist du sicher, dass es von ihm ist? Ihr habt euch doch erst gestern versöhnt.«
Sie sah mich strafend an.
»Es ist vorher passiert, deswegen habe ich ihn diesmal zappeln lassen. Ich liebe ihn, aber ich weiß manchmal nicht, ob er es kann …«
»Was?«
Sie gestikulierte mit den Händen.
»Na, alles: treu sein, Verantwortung übernehmen, aufhören, sich wie ein Arschloch zu benehmen.«
»Doch, das kann er.« Ich nickte. »Wahrscheinlich wird er es lernen. Man müsste es auf einen lang angelegten Versuch ankommen lassen. So fünfzig Jahre?«
Sie sah zur Tanzfläche, wo Rokko an dem Biest hing wie Kapitän Ahab an Moby-Dick.
»Was stimmt mit euch Männern nicht? Sich mit zwanzig austoben, okay, aber mit dreißig, vierzig, fünfzig und sechzig? Wieso wird das für euch nie langweilig?«
»Wird es, aber was soll man sonst machen?«
Statt zu lachen, stand sie auf. Bei dem Thema war Schluss mit lustig.
»Kein Wort zu Rokko.«
»Klar doch. Ich verschweige meinem besten Freund die wichtigste Sache seines Lebens. Ganz prima.«
Erstaunlicherweise brachte sie das zum Lächeln.
»Du glaubst, das wird sie?«
»Wenn er es verdammt noch mal je erfährt.«
Sie lächelte.
»Ich sag’s ihm ja. Bald.«
Sie drückte mir einen Kuss auf die Wange und schlängelte sich durch die Menge in Richtung Theke. Mor sah sich auf der Tanzfläche um und gab mir lauthals zu verstehen, ich solle mich am Geschehen beteiligen. Ich ging tanzen.
Gefühlte hundert Tänze später brannten meine Füße, als hätte ich Feuerquallen in den Schuhen. Der Garten hatte sich fast geleert, was der Stimmung keinen Abbruch tat. Es war noch Punch da, und den Dorffestskandal hatte Simone serviert, als sie sturzbetrunken auf die Bühne kletterte und sich das Mikrofon schnappte. Da sie beim Reden einen Finger anklagend auf mich richtete, ließ sich ahnen, was Thema war, aber erfahren würden wir es nie, da das Mikro ab- und die Musik aufgedreht war. Von solchen Kleinigkeiten ließ sie sich nicht beeindrucken. Sie fuchtelte ewig weiter, bevor sie zum Schlagzeug ging, sich auf Rokkos Hocker setzte und damit hintenüber vom Bühnenrand kippte. Diagnose: gebrochener Arm. Mohammed hatte sie ins Krankenhaus gefahren.
Mor hatte sich mittlerweile von der Prothese trennen müssen. Das Ding stand an die Bühne gelehnt. Mors Stumpf würde in den nächsten Tagen blau und rot sein, aber sie meckerte nicht mal, als Schröder sich das Ding schnappte, ihm seine Perücke aufsetzte und damit einen Dreibeintanz aufführte. Der Punch …
Ich nahm Schröder die Prothese weg, steckte ihm die Perücke ins Hemd und empfahl ihm, nach Hause zu gehen. Dann zog ich mit dem Bein in der Hand zur Theke, um mir einen letzten Schlag verpassen zu lassen. Und das war der Moment, in dem alles zum Teufel ging.
November fing an zu bellen. Ich schaute mich um. Es war nichts Außergewöhnliches zu sehen. Anita machte Theke, Benni saß am Mischpult, Menschen tanzten oder saßen herum, doch auf dem Frieden lag plötzlich eine Dissonanz. Ich sah November auf die Villa zurennen. Jemand schrie. Es kam aus der Villa. Ich ließ alles fallen und rannte los.
»GEH WEG!!«, schrie eine Frau.
Ich umklammerte den Fensterrahmen des Wohnzimmerfensters, zog mich hoch und warf einen Blick hinein. Nele. Sie schlug auf jemanden ein.
»Hey!«, rief ich.
Sie prügelte weiter. Wütend. Der Mann taumelte zurück und wedelte mit den Händen, um sie abzuwehren. Als er seine Hände sinken ließ, um seine Eier zu schützen, erkannte ich Telly.
»DU SCHWEIN!«, schrie sie.
Sie bückte sich, und als sie sich wieder aufrichtete, hatte sie einen von Rokkos Drumsticks in der Hand. Ich zog mich am Fensterrahmen hoch. Nele klebte an dem zurückweichenden Telly und stach mit dem Stick auf ihn ein.
»GEH WEG!«
Ich sprang in den Raum, packte sie und riss sie nach hinten. Ihr Körper war angespannt. Sie trat aus und erwischte mein Schienbein. Ich bleckte die Zähne.
»He, ich bin’s! Paul! Beruhige dich!!«
»ER SOLL WEGGEHEN!!«
Sie tobte in meinen Armen,
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