Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nele Paul - Roman

Titel: Nele Paul - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
Vom Netzwerk:
unter der Decke. Dann zog sie die Decke weg, richtete sich auf, schob ein Kissen an die Wand, lehnte sich dagegen und klopfte neben sich auf die Matratze. »Komm bitte her.«
    Ich rutschte an ihre Seite. Sie streckte mir ihre Hand entgegen. Ich schob meine Finger zwischen ihre. Sie umklammerte meine Hand so fest, als wollte sie verhindern, dass ich weglaufe, und sah mich dunkel an.
    »Ich habe dir etwas verschwiegen.«
    Mein Magen wurde kalt. Ich spannte meine Bauchmuskeln an und wappnete mich. Bitte kein Krebs. Bitte kein Abschiedsbesuch. Bitte nicht.
    »Ich habe für einen Escort-Service gearbeitet.«
    Ich blinzelte.
    »Was …?«
    Sie biss sich auf die Unterlippe und nickte, ohne ihre Augen für eine Sekunde von meinen zu lösen.
    »So habe ich Papas Pflege finanziert, okay?«
    Ich sah sie an und versuchte, den Faden zu kriegen. Der Weg von Krebs zum Callgirl war lang. Von meiner Nele zu einer Begleitdame für einsame Geschäftsleute war es noch länger. Ihre Hand hielt meine fest umklammert.
    »Kein Sex. Nur Begleitung.« Sie nickte vorsichtig, um ihre Aussage zu unterstreichen. »Ich wollte es dir gleich sagen, aber …« Sie schlug ihre Augen nieder und zog die Schultern hoch. »Hab mich nicht getraut.«
    Ich versuchte, das auf die Reihe zu bekommen.
    »Und was hat das mit gestern zu tun?«
    »Bei einem der Jobs hatte ich mal einen Aussetzer. Ein Kunde hat mich bedrängt, ich hab ihm wohl …«, sie zog die Schultern hoch, »… eine verpasst.«
    »Was meinst du mit wohl? Hast du oder hast du nicht?«
    »Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, was die anderen mir später erzählt haben.«
    »Warst du betrunken?«
    Sie bewegte ihren Kopf vorsichtig. Diesmal war es ein Nicken.
    »Voller Filmriss. Ich erinnere mich an nichts mehr. Das war es dann auch. Nach der Sache hat die Agentur mich rausgeschmissen.«
    Ich versuchte, nicht daran zu denken, was sie vielleicht noch so alles nicht mitbekommen hatte.
    »Und das war das erste Mal? Es ist vorher nie passiert?«
    Diesmal bewegte sie ihren Kopf wieder vorsichtig seitwärts. »Gut«, sagte ich. »Das heißt dann wohl, keinen Alkohol mehr.«
    »Sowieso«, stöhnte sie.
    Ich nahm ihre Hand. Sie rutschte tiefer, legte ihr Gesicht auf meinen Oberschenkel und sah zu mir hoch.
    »Nicht sauer sein.«
    »Ich bin nicht sauer, ich hatte heute Nacht nur Angst um dich. Du bist völlig ausgerastet. Ich hab dich nicht wiedererkannt.«
    Sie biss sich auf die Unterlippe.
    »Ich trink keinen Schluck mehr. Versprochen.«
    Ich atmete durch. Alkohol. Klar doch. Ich hatte eine Menge Leute auf Alkohol gesehen. Es hieß, Betrunkene zeigten ihr wahres Naturell. Deswegen passte die Sache nicht zu Nele. Die Nele, die ich gekannt hatte, hatte geweint, wenn wir eine überfahrene Katze gefunden hatten. Bei Schlägereien hatte sie sich zwischen die Schläger geschoben. Konnten neun Jahre einen Menschen dermaßen verändern?
    »Also los, Mor wartet.«
    Es dauerte. Sie musste erst duschen, sich schämen, dann wollte sie meine Nase schminken, dann musste sie sich wieder entschuldigen, aber schließlich schafften wir es doch in die Küche, in der es nach Kaffee und warmem Brot roch. Mor saß am Küchentisch und las die Tageszeitung. Vor ihr stand eine halb leere Tasse und ein Teller mit Krümeln. Mit einer Hand hielt sie die Zeitung, mit der anderen massierte sie ihren Stumpf. Als sie uns hörte, hob sie den Kopf und lächelte uns an.
    »Morgen.«
    Ich küsste sie. Nele setzte sich auf den Stuhl am anderen Ende des Tisches, senkte den Kopf und heftete ihren Blick auf die Tischplatte. Mor sah sie an, dann sah sie mich an.
    »Ein tolles Fest«, sagte ich und warf ein paar Aspirin in ein Glas.
    »Find ich auch«, sagte sie und sah zu Nele. »Was ist mit dir, Engelchen, sagst du mir nicht guten Morgen?«
    Nele starrte auf die Tischplatte.
    »Tut mir leid, dass ich deinen Geburtstag ruiniert habe.«
    »Ach was, ich war eh schon müde. Eigentlich hast du mir bloß geholfen, die letzten Säufer loszuwerden.«
    Ich stellte das Glas vor sie. Nele starrte weiter auf den Tisch.
    »Engelchen, komm mal her.«
    Nele schüttelte den Kopf und hielt sich an dem Glas fest.
    »Schatz«, sagte Mor bestimmt. »Du bist die mit den zwei Beinen, also komm.«
    Nele stand mit gesenktem Kopf auf, ging um den Tisch herum, sank neben Mors Stuhl auf die Knie, umschlang sie mit ihren Armen und versteckte ihr Gesicht an Mors Brust.
    »Tut mir leid«, flüsterte Nele.
    Mor legte ihr eine Hand auf den Rücken und streichelte sie. »Ach,

Weitere Kostenlose Bücher