Nele und der Neue in der Klasse
vorarbeiten.« Sie begann zu zählen: »Fünf, vier, drei, zwei …« Sie räusperte sich und sah ihren neuen Schüler scharf an. »Das gilt auch für dich, Henry Ness. Nimm bitte neben Josefine Platz. Melanie ist mit Windpocken zu Hause.« Sie zeigte nach hinten auf einen freien Stuhl.
Josefine warf Nele einen triumphierenden Blick zu.
Nele warf einen Papierflieger nach ihr, den Basti ihr großzügig anbot. So ein Klassenzoff war ganz nach seinem Geschmack und seine Flieger waren die treffsichersten überhaupt.
Frau Kussmund runzelte die Stirn und klopfte ungeduldig mit einem Stück Kreide auf den Tisch. »Ich hoffe, es herrscht endlich Ruhe«, sagte sie und konnte ihre Stimme nur mühsam beherrschen. »Ich kann Zankereien in der Klasse nicht ausstehen, das wisst ihr ganz genau.« Sie sah Josefine streng an. »Wir haben einen neuen Mitschüler, Henry Ness. Er ist das Patenkind von Neles Großtante Adelheid und kommt aus Schottland. Dort ist er bisher in keine öffentliche Schule gegangen. Ich möchte, dass ihr auf ihn Rücksicht nehmt. Henry ist wohl sehr tierlieb, wie mir Neles Mutter gerade am Telefon berichtete. Deshalb ist der Papagei Plemplem von Burg Kuckuckstein in unserer Klasse zu Besuch. Das wird allerdings eine Ausnahme bleiben.« Sie sah Henry geradeaus in die Augen. »Haben wir uns verstanden, mein Junge?«
Wenn Frau Kussmund so eindringlich guckte, dann traute sich nicht einmal Herr Direktor Zucker, ihr zu widersprechen. Und der war schon seit ewigen Zeiten heimlich in Frau Kussmund verliebt. Egal ob Schüler, Schuldirektor oder ein echter Lord: Es wurde getan, was Frau Kussmund wollte.
Henry machte da keine Ausnahme.
»Okay, Henry?«, hakte Frau Kussmund nach. »Plemplem bleibt morgen zu Hause«, sagte sie.
Henry nickte wie hypnotisiert. »Ja. Plemplem bleibt ab morgen zu Hause«, widerholte er. Die ganze Klasse nickte mit ihm mit.
Nicht zum ersten Mal kam Nele der Gedanke, dass Frau Kussmund in Wahrheit eine Hexe war, die ihre Schüler verzauberte, wenn es ihr gerade in den Kram passte. Leider hatte Nele keine Beweise. Genauso wenig wie dafür, dass das Burggespenst Graf Kuckuck wirklich existierte. Es war nur so ein mulmiges Gefühl in ihrem Bauch.
In der ersten Stunde Mathe war Nele ganz damit beschäftigt, die neuen Textaufgaben zu kapieren. Sie wollte auf keinen Fall noch einmal eine Vier auf dem Zeugnis bekommen. Deshalb guckte sie nur selten zu Henry und Josefine hinüber. Sie war immer noch sauer, dass er zu Josefine netter war als zu ihr. Das konnte doch nicht an Gummistiefeln oder Lackschuhen liegen. Zuerst hatte er so getan, als ob er alle Mädchen doof fand, und jetzt himmelte er Josefine so an, dass es megapeinlich war.
Wenn das so weiterging, musste sie mit Tante Adelheid mal ein ernstes Wort sprechen. Bis jetzt hatte sie alle Freunde von ihrer Tante, die auf Kuckuckstein zu Besuch gewesen waren, nett gefunden.
Nur mit Henry wurde Nele nicht warm.
Sie hörte Josefine kichern und drehte sich um.
Anstatt die Rechnungen zu lösen, die Frau Kussmund an die Tafel geschrieben hatte, malte Henry mit Josefines Buntstiften ein Bild, und Josefine guckte ihm gespannt dabei zu.
Nele versuchte einen Blick auf das Blatt zu erhaschen. Ihr stockte der Atem.
Was Henry da zeichnete, war eine Mischung aus Dino, grünem Monster und züngelnder Wasserschlange. Nessie! Keine Frage. Und er zeichnete das Bild ausgerechnet für Josefine.
»So eine Gemeinheit. Zum Kuckuck mit dir!«, rief Nele aufgebracht und schlug sich im gleichen Augenblick erschreckt auf den Mund.
Frau Kussmund drehte sich erstaunt um. »Nele, was hast du gerufen? Kannst du das bitte wiederholen und uns auf der Stelle erklären, was dieser Quatsch soll?«
Das neunte Kapitel
vermiest Nele die große Pausezeigt, dass Florian Tanne immer noch mehr als nett findetbeweist, dass Henry nicht die Bohne schüchtern istund bringt Neles größten Wunsch ans Licht
Ein Denkzettel muss her
»Kein einziges Wort rede ich mehr mit Henry«, sagte Nele empört. »Und wenn er mich total vollblubbert.«
Frau Kussmund hatte ihr drei Textaufgaben extra für ihren frechen Spruch aufgebrummt. Bei so etwas kannte sie keinen Spaß.
Es war große Pause. Die drei Freunde saßen unter der großen Kastanie und hielten Kriegsrat.
»Die Gefahr besteht auch nicht«, sagte Lukas sachlich. »Henry unterhält sich ja sowieso lieber mit Josefine.«
Tanne warf ihm einen warnenden Blick zu. »Ist doch schnurzegal. Ich finde es einfach doof, wie Josefine
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