Nele und die geheimnisvolle Schatztruhe: Band 10 (German Edition)
Menschen nicht gefährlich. Das juckt nur eine Weile, wenn die einen beißen.«
Sie ergriff die Taschenlampe und leuchtete unter seinen Arm. Im selben Moment fing sie an zu kichern. »Ach wie süß!«
Henry verzog das Gesicht. »Sehr witzig. Was ist an Spinnen süß?«
Nele nahm das Tier mutig zwischen zwei Finger und setzte es sich auf den Handrücken. »Das arme Marienkäferchen hat sich verlaufen«, sagte sie. »Der hat dich höchstens gezwickt, nicht gebissen.« Sie richtete die Taschenlampe auf Henrys Gesicht. »Alles gut?«
Henry war vor Verlegenheit puterrot geworden. »Tut mir leid«, sagte er. »Bei Spinnen dreh ich einfach durch.« Er ging hastig weiter.
»Aber im Keller sind bestimmt Spinnen«, warnte ihn Nele. »Und vor Mäusen fürchtest du dich nicht?«
Henry schüttelte den Kopf. »Ich liebe Mäuse«, sagte er. »Die sehen so putzig aus. Normalerweise schlafen Spinnen nachts, vielleicht habe ich Glück.«
Ohne weitere Störung erreichten sie die schmale Tür, die hinab ins Verlies führte.
Das Vorhängeschloss war alt und rostig. Henry holte eine dünne Nadel hervor, mit der er das Schloss im Nu knackte. Der Junge war wirklich fit , dachte Nele bewundernd. Da durfte man auch Angst vor Spinnen haben.
Die Luft, die ihnen entgegenwaberte, war feucht und kalt. Nele musste beim Einatmen laut husten, aber der Klang wurde von den verschlungenen Gängen im Nu verschluckt.
Das letzte Mal war Nele zu ihrem Geburtstag im Verlies gewesen.
Ganz ehrlich! Damals war es ihr lange nicht so gruselig vorgekommen. Selbst mit Taschenlampe fand Nele es heute ganz besonders finster.
Sie liefen eine ganze Weile durch die verwinkelten Gänge. Schließlich kamen sie an eine Gabelung. »Soweit war ich noch nie«, sagte Nele und blieb stehen. »Links oder rechts. Oder sollen wir vielleicht doch umkehren? Wir können auch morgen noch mal wiederkommen.« Sie sah Henry unschlüssig an.
»Auf keinen Fall. Das ist super«, strahlte Henry. Er vergaß ganz seine Spinnenangst. »Ab jetzt wird es spannend. Ich gehe vor. Gib mir mal die Taschenlampe.«
Er überholte Nele und schlug links ein.
Zu Neles Erstaunen wurde der Gang deutlich breiter und auch höher. An den Wänden schliefen Fledermäuse, es tropfte klares Wasser von der Decke.
»Huch!« Eine Maus flüchtete sich über Neles Fuß panisch in sein sicheres Mauseloch. Schließlich bekamen die Nager nicht so häufig Besuch im Verlies.
»Wie hält man es als Maus bloß hier unten aus«, sagte Nele mit lauter Stimme. »Ich wäre mit Sicherheit lieber eine Waldmaus.«
Maus …aus …aus …auauauaus , hallte es von den Wänden.
»Ups!«, rief Nele erschreckt. »Seit wann gibt es in unserem Verlies ein Echo?«
Echo …Echo …Echooooo! Nele schüttelte verwirrt den Kopf.
»Cool!«, jubelte Henry.
Ein paar Steinchen lösten sich aus der Decke und rieselten auf die Kinder.
»Still«, zischte Nele. »Du bringst durch dein Gejaule die ganze Burg zum Einsturz.«
Henry grinste schuldbewusst. »Sorry«, flüsterte er zurück. »Keine Angst, Nele. Auf den alten Kasten ist auch schon mal mit einer Kanone geschossen worden, ohne dass er kaputtging.«
Nele guckte nicht besonders überzeugt. »Das ist aber auch schon eine Weile her«, widersprach sie. »Papa sagt, in der Burg ist soviel zu reparieren, das ist ein Fass ohne Boden.«
Henry kicherte. »Ich hätte nicht gedacht, dass es hier unten so toll ist«, sagte er mit leuchtenden Augen. »Und kaum Spinnen. Denen ist es zu feucht.«
Nele zog einen Flunsch. »Mir ist es auch zu nass«, antwortete sie und zeigte auf ihre nassen Füße, denn sie war gerade mitten in eine Pfütze geplatscht. »Besser, ich hätte Gummistiefel angezogen.«
Sie warf Henry einen verschmitzten Blick zu. »Ich glaube, zwischen meinen Zehen ist gerade eine Wasserspinnenfamilie durchgetaucht.«
Henry schrie erschreckt auf und Nele kicherte herausfordernd. »So cool, wie du tust, bist du auch wieder nicht.« Wirklich ulkig, dass Henry sich so vor Spinnen fürchtete.
Je tiefer die beiden sich vortasteten, umso kälter wurde es. So kam es Nele wenigstens vor. »Ich glaube echt, wir sollten langsam umkehren«, wiederholte Nele. Sie bibberte am ganzen Körper. »Für unsere nächste Erkundigungstour ziehe ich meinen Skianzug an.«
Henry nahm Nele an der Hand und zog sie mit sich weiter. »Nur noch die eine Kurve«, sagte er und zeigte mit der Taschenlampe nach vorne.
»Okay«, nickte Nele. »Die Batterien der Taschenlampe werden auch langsam mau.
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