Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nelken fuers Knopfloch

Nelken fuers Knopfloch

Titel: Nelken fuers Knopfloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
Vom Netzwerk:
mokieren...
    Der Gasthof >Zum Pfau< im Dorf Hartenstein bestand seit dem Jahre 1546, jedenfalls stand diese Zahl als Gründungsjahr nicht nur auf dem Steinbogen des Eingangs, sondern auch auf den Bierfilzen, denn der Wirt betrieb nebenbei eine Weißbierbrauerei. In den Kreuzgewölben der Gasträume, ehemaligen Lagerkellern, war es urgemütlich, altes Zinngeschirr stand auf den Borden der lärchenholzgetäfelten Wände, und die Wirtin selber erkundigte sich nach den Wünschen der Gäste. Etienne nahm ein Jägerschnitzel mit frischen Pfifferlingen, die Jungen bekamen jeder ein Brathendl — und wurden spielend damit fertig.
    Thomas schwatzte unentwegt; er war ein munterer kleiner Kerl, an dessen Witz und an dessen Pennälersprüchen Etienne seinen Spaß hatte. Manfred schien ihm bedrückt.
    Der Junge war in den zwei Jahren, seit er ihn zum letztenmal gesehen hatte, mächtig in die Höhe gewachsen. Er war ein richtiger junger Mann geworden, sogar der Bart sproßte ihm schon dunkel ums Kinn — und plötzlich glaubte Etienne sich auf der richtigen Fährte zu bewegen, als Manfred erzählte, seine Klasse hätte im letzten Halbjahr Tanzunterricht genossen. Was lag näher, als daß die Jungen sich wegen eines Mädchens geprügelt hatten!
    Ein Spielautomat zog Toms Blicke und Begehrlichkeit auf sich, ein funkelnder Kasten mit allen möglichen Kinkerlitzchen, rotierenden Scheiben im Wechselspiel von rotem, grünem und gelbem Licht, Effekten, die den Leuten das Geld aus der Tasche locken sollten. Etienne drückte Thomas eine Handvoll Kleingeld in die Hand. Die Neugier, von Manfred die Wahrheit zu erfahren, siegte über sein besseres pädagogisches Wissen, daß man einen zwölfjährigen Jungen nicht zu Spielleidenschaft verführen sollte.
    »Nun, Manfred«, fragte er, als Tom das erste Zehnerl in den Schlitz des Automaten steckte und hoffentlich genug gewann, um für die nächste Viertelstunde beschäftigt zu sein, »wie heißt denn die junge Dame, um die ihr euch duelliert habt?«
    Manfred hob überrascht den Kopf. Er verstand sofort, was Etienne meinte, und er war einen Augenblick lang versucht, das Stichwort aufzunehmen und irgendeine Eifersuchtsgeschichte zu erfinden, mit der er sein blaues Auge zufriedenstellend erklären konnte. Er sah sich nach Thomas um, der ein paar Münzen triumphierend in die Höhe hielt, die gerade aus dem Automaten herausgesprungen waren. Er nahm einen kleinen Schluck Cola, denn natürlich verachtete er als Sportler den Alkohol genauso wie sein Vorbild, Herr Dr. Schwertfeger, und sah Etienne an.
    »Sei einmal ganz ehrlich, Onkel Marcel: Wer bin ich eigentlich und wo war ich, ehe Michael und Heliane Pforten mich vor etwa fünfzehn Jahren adoptierten?«
    Ein kräftiger Schlag auf den Schädel hätte Etienne nicht wirkungsvoller treffen können. Er setzte das halberhobene Weißbierglas ab und starrte Manfred verblüfft an.
    »Wer hat dir darüber etwas erzählt?«
    »Klaus Grafenstetter. Er geht in meine Klasse. Vielleicht aus Wut darüber, daß ich ihn in der letzten Zeit immer ziemlich abgehängt habe, sagte er mir heute, ich solle mit meinem Vater und überhaupt mit allem nicht so angeben, ich sei ja nur als Findelkind aus dem Dreck gezogen und von Herrn Pforten adoptiert worden.«
    Etienne schluckte schwer, er mußte die Trockenheit, die er plötzlich brennend und kitzelnd in der Kehle verspürte, mit einem langen Schluck hinunterspülen.
    »Ich wollte es nicht glauben«, fuhr Manfred ruhig fort, nachdem er eine kleine Weile vergeblich auf ein Wort von Etienne gewartet hatte, »ich spürte nur ein maßlose Wut über die niederträchtige Art, in der es mir gesagt wurde, und schlug auf Grafenstetter ein. Herr Dr. Schwertfeger, mein Klassenpauker, trennte uns schließlich. Er schickte mich ans Wasser, damit ich mir das Blut aus dem Gesicht wusch, und ging mit Grafenstetter auf dessen Bude mit. Grafenstetter hatte nämlich geschrien, er könne es Dr. Schwertfeger schwarz auf weiß zeigen, daß er die Wahrheit gesagt habe. Und dann kam Dr. Schwertfeger nach einer Weile zu mir zurück. Er machte ein komisches Gesicht, wie ich ihn eigentlich nicht kenne, und legte mir die Hand auf die Schulter und kaute eine Weile herum und sagte schließlich, er könne mir nur den Rat geben, ich solle mal mit meinen Eltern darüber sprechen. Gelegenheit dazu hätte ich ja in den Sommerferien genug...«
    Er sah Etienne aufmerksam an. »Also, Onkel Marcel, was ist nun eigentlich mit mir los? Möchtest du jetzt so

Weitere Kostenlose Bücher